Schlagwörter
Wer sich schon immer gefragt hat- was dieses „Queer“ eigentlich bedeutet, wie und wo es entstand ist, es nicht wirklich versteht, sich aber damit als Frau irgendwie unwohl fühlt- dem empfehle ich das geniale Buch von Sheila Jeffreys: „Lesben in der Queer-Politik: ohne Zukunft„ zu lesen! Auf übersichtlichen 200 Seiten wird dort erklärt, wie und warum in den USA- nach der Gay Liberation Bewegung und dem lesbischen Feminismus der 70er Jahre, deren Ziel die Gleichberechtigung in Beziehungen und in der Sexualität war- in den 80er und 90er Jahren die Queer-Bewegung entstanden ist. Es erläutert solche Dinge wie: öffentlicher Schwulensex, schwule Pornographie, schwule „Maskulinität“, Sadomasochismus, Ritzen und Piercing (wer weiß eigentlich, dass die Pircing- und Tatoomode ursächlich, neben dem Punk, vom schwulen SM abstammt), weibliche Männlichkeit (female masculinity) und FzM-Transsexualität; und entlarvt sie als zutiefst hierarchisch-patriarchale Macht-Praktiken, die die Frauenbefreiung mehr als torpedieren. Ein übler Backlash und eine durch und durch männliche Agenda, in der Lesben und Frauen nicht mehr sind, als eifrige Fans in der männlich-queeren Schwulengemeinde oder (symbolisch) den Frauen gleichen, die bei Kirchenfesten oder bei Sportveranstaltungen die Butterbrote für die wahren Akteure schmieren. Ein Hilfstrupp des Patriarchats.
Ich habe hier einen kleinen Ausschnitt des Vorwortes reingestellt und werde, im Rahmen meiner Butch-Femme-Reihe, wahrscheinlich noch das Kapitel „FzM-Transsexualität und die Vernichtung von Lesben“ vorstellen:
EINLEITUNG
In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich ein Phänomen im Bereich der lesbischen Gemeinschaft, das als „Packing“ (siehe hier) bekannt wurde. Das Tragen eines Dildos im Hosenschritt sollte die Existenz eines Penis andeuten. Lesben signalisierten mit dieser Praktik, dass der Männlichkeitskult gesiegt hatte und das Projekt lesbischer Feminismus, die Hierarchie des sozialen Geschlechts (Gender) abzuschaffen, für sie gescheitert war. Zur selben Zeit entwickelte sich unter ähnlichen Lesbengruppen ein Kult um Transsexualität. Auf der Suche nach männlicher Macht und männlichen Privilegien waren Lesben zur „Butch“ geworden, hatten Packing ausgeübt oder „Drag King“ Wettbewerbe ausgerichtet – Siegerin wurde, wer am überzeugendsten einen Mann, im besonderen einen schwulen Mann, darstellen konnte. Jetzt aber zogen solche Lesben verstümmelnde Chirurgie und Hormoneinnahmen in Betracht, die mit dem Versprechen der „Echtheit“ köderten. Der Wechsel vom Höhepunkt des lesbischen Feminismus, wo wir mit Adrienne Rich darin übereinstimmten, dass „es die Bedeutung unserer Liebe zu Frauen ist, die wir beständig weiterentwickeln müssen“ zu einer Situation, in der einflussreiche und von viel Öffentlichkeit begleitete Teile der lesbischen Gemeinschaft Maskulinität zum Heiligen Gral erhoben haben, konnte nicht gravierender sein.
Wie konnte das passieren? Ich werde hier darlegen, dass der wichtigste Grund der Einfluss einer mächtigen, schwulen Kultur war, die, ausgehend von den späten siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, den Abbau der Genderhierarchie und damit das Projekt der homosexuellen Befreiungsbewegung ablehnte und sie durch „Männlichkeit“ als Ziel ersetzte. Sadomasochismus, schwule Pornographie, öffentlicher Sex und Prostitution, die Männlichkeit hochheben ließen, führten dazu, dass dominante Bereiche der schwulen Kultur eine Art Hypermaskulinität entwickelten und sie als positiv und typisch schwul verkauften. (…)
(Sheila Jeffreys: Lesben in der Queer-Politik: ohne Zukunft, S. 7, 2003/2011)
Ähnliche Artikel:
Diese Hypermaskulinität, die schwule Männer in den 70er Jahren zu entwickeln begannen- dazu zählt das männlich/maskuline Äußere genauso wie ein rücksichtsloses und vom Gefühl abgekoppeltes Sexualverhalten wie zb Cruising (öffentlicher Sex mit wechselnden Partnern)- war einerseits eine Reaktion auf die Unterdrückung von Schwulen durch heterosexuelle Männer (und durch die Theorien der Sexualwissenschaftler), die ihnen die Männlichkeit absprachen und meinten, dass sie „innere Frauen“ seien. Aber andererseits war sie auch ein Griff nach generellen männlichen Privilegien, die mit Maskulinität einhergehen und eigentlich eine Kontrolle/Macht über Frauen sind.
Die Gruppe „Village People“, mit ihrem auch heute noch oft gespieltem 70er Jahre Party-Hit „YMCA“ (Young Men’s Christian Association/Christlicher Verein Junger Menschen, ein Ort nur für Männer, in dem Männer oft homosexuelle Erfahrungen mit anderen Männern machen konnten), ist ein gutes Beispiel für die verschiedenen Gender-Rollen männlicher Maskulinität: Der Cowboy, der Indianer, der Polizist, der Bauarbeiter, der Soldat und der schwule (SM) Lederman…es fehlt noch der Pirat oder Matrose…
Danke Claudia, für den Zusammenhang. ich hab mir vorher noch nie Gedanken gemacht über diesen YMCA-Song, weder darüber, dass die Abkürzung für diesen christlichen Männerverein steht, noch darüber welche maskulinen Rollenklischees er vermittelt, aber in Verbindung mit dem Video wird das sehr deutlch!