Kurzroman „Herzensfleisch“

Auf einer Abendveranstaltung (festliches Dinner) treffen die Hauptdarstellerinnen- vier völlig unterschiedliche Frauen- aufeinander:Charlie, die Karrierefrau, Jule, die Aushilfskellnerin, Aida, Gattin und liebende Mutter und die sehr relgiöse und unscheinbare Außenseiterin Marlies. Im Laufe des Abends beginnt sich aber die Realität zu verändern und seltsame Dinge passieren…Und dann werden sie alle in einen Strudel des Wandels gerissen, in eine gnadenlose und archaisch anmutende Anderswelt geholt…

Rezensionen:
Seit einigen Tagen ist diese in jeglicher Hinsicht außergewöhnliche Novelle endlich komplett online verfügbar. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich derartiges noch nie vorher gelesen habe.
Vier Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, werden während eines festlichen Dinners scheinbar grundlos aus der Realität hinein in eine archaische Parallelwelt gesaugt, wie sie die Literatur noch nicht gesehen hat. Ein Wort- und Bilderrausch beginnt, der bis zum Ende anhält. Die Protagonistinnen durchlaufen Metamorphosen, sowohl äußerlich, z.B. in Form insektoider Entwicklungsstadien als auch innerlich. Geschlechterrollen werden neu definiert und vor allen Dingen neu entdeckt. Der Terminus „Sexuelles Erwachen“, insbesondere gleichgeschlechtlicher Art, findet hier eine ungleich tiefere Bedeutung als diese Wortkonserve erwarten lässt.
Die Welt, in der die vier gestrandet sind, führt ein Eigenleben, verändert sich ständig, brodelt und kocht wie ein Endzeitszenario im Zeitraffer. Aber sie gebiert sich selbst auch immer wieder neu. Neben Enklaven des absoluten Grauens finden sich aber auch Oasen der Ruhe und Schönheit. Das eine kann nicht ohne das andere sein.
Dies alles schildert Claudia in einer verdichteten Sprache, einem gigantischen Prosagedicht gleich. Wer eine lineare Handlung erwartet, wird sich schon nach kurzer Zeit hoffnungslos in diesem Sprachlabyrinth verirren, denn monumentale Metaphern spielen im Traum- und Alptraumland eine größere Bedeutung als Sätze mit kristallklarer Transparenz. Aber, HERZENSFLEISCH ist kein literarischen Anspruch heischendes Konstrukt. Betörende Sätze, wie man sie in dieser Fülle selten liest, wechseln sich ab mit expliziten sexuellen Darstellungen und Umgangssprache. HERZENSFLEISCH ist ein eigener Kosmos, mit keinem Fantasy-Roman über eine Phantasiewelt vergleichbar.
Diese Orgie der Sprachneuerfindung wäre schon in Kurzgeschichtenlänge eine immense Leistung, dies jedoch über die Länge einer Novelle von Anfang bis Ende durchzuhalten, lässt Genie erkennen. Man merkt jedem Satz an: diese Autorin schreibt einfach nur mit größtmöglicher Leidenschaft. Ihre poetische Sprache ist bei aller Zartheit aber auch kraftvoll und beinahe archetypisch feminin. HERZENSFLEISCH hätte es verdient, auch in Buchform zu erscheinen. (Frank Duwald/08.13/dandelion/phantastische Literatur)

Die Erzählung „Herzensfleisch“ der deutsch-tschechischen Autorin lädt den Leser zu einer festlichen Soiree ein, stellt vier diametral entgegengesetzte Frauencharaktere vor, und lässt die, soeben installierte, Realität, mittels einer fulminanten Sprachverwendung, in den Malmstrom einer gnadenlos archaischen Welt stürzen.
Barocke Fülle, rauschhaft drängende Bilder, Ikonografie der osteuropäischen Märchenwelt, Waldmythen und Kaskaden untergründiger Angstevolution changieren zumeist übergangslos mit Prospekten von berückender Schönheit, die einen in den Bann ziehen würden, wenn nicht simultan eine Etymologie des blanken Entsetzens, getragen von sprachlicher Virtuosität, Verstörung und deutliches Unbehagen, das Bekanntes mit Unbekanntem vermischt, hinterlässt.
Die lyrisch verdichtete Sprache geht, trotz, – oder vielleicht hier gerade, mittels, ihrer artifiziellen Fähigkeiten, gnadenlos scharfsinnig mit der Biospezies Mensch um.
Diese Welt, die ihre immanenten Möglichkeiten des Paradieses nur vage, doch gleichsam intensiv, erahnen lässt, ist eine kolonisierte Welt. Kraftvolles Begehren, Sexualität, Vitalität wie auch die Sehnsucht nach absoluter Reinheit degenerieren in unaufhaltbare Abstiege; die Erosion in Grauen und das Nirwana der kompletten Sinnlosigkeit scheint vorprogrammiert, ohne, dass die Autorin wertend eingreift.
Es kommt zur Umkehrung der Schöpfung: In der -Großen Audienz- regiert eine Welt des Todes. Doch es wirkt auch eine andere Konstante innerhalb dieses diametral angelegten Achsenkonstruktes, in welcher nicht nur die Schöpfung umgekehrt wird wie das Bild in einer Spiegelreflexkamera, sondern darüber hinaus auch die Achse des männlich-weiblichen Dualismus aufgebrochen wird. Männliche, versus weibliche, Verhaltensweisen werden mittels einer Idiosynkrasie der Lächerlichkeit entlarvt und mit einer gefallenen Welt in eine, lyrisch verdichtete und plastisch spürbare, Phänomenologie des absoluten Grauens gerissen: Eros wird zur Erosion. Diese scheinbare Nomenklatur der Unerlösbarkeit erinnert sogar an die gnostische Welt eines E. A. Poe, Lovecraft, Ligotti u. a. Autoren der Gothic Novels.
Doch bleibt es nicht bei dem dunklen Pathos einer unerlösbaren Welt stehen, so wie ein stehendes Gewässer dem unrettbaren Vermodern ausgeliefert bleibt. Farben, Formen und konvulsivische Bildelemente von überwältigender Schönheit, die in ein paradiesisches Blütenmeer, die wirkliche Welt des Lebens, münden, zeugen von einem -Prinzip Hoffnung-. (2010/ Margarethe Pape)

Man sollte allerdings beim Lesen ein wenig Geduld mitbringen, denn viele Dinge, die man am Anfang nicht versteht oder Personen, die man nicht erkennt, klären sich Kapitel für Kapitel allmählich auf…

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