Zwei Stunden Diskussion zur lesbischen Sichtbarkeit in Köln, organisiert von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und den Wirtschaftsweiber e.V. und finanziert u.a. von der LAG Lesben in NRW e.V.
P.S.: Interessant fand ich persönlich das Resümee von Eva Kreienkamp, nämlich dass lesbisch lebende Frauen/Lesben sozusagen das „Versuchslabor“, die Vorreiterinnen sind, die aufzeigen was passiert, wenn Frauen ganz autonom sich in der Welt zu bewegen versuchen; was bei Heterofrauen ja sehr oft nicht der Fall ist, weil sie sich meistens hinter dem Mann verstecken, durch ihn sehr viel Hilfe bekommen und daher irgendwie das Leben nur aus zweiter Reihe mitbekommen (alleinerziehende Mütter vielleicht mal ausgeschlossen)…. Und auch interessant fand ich die Begründung, warum lesbisch/homosexuell sein alleine nicht ausreicht, sondern auch noch ein feministisches Bewusstsein hinzukommen muss, weil man sich (ohne ein feministisches Bewusstsein) entweder total mit der heterosexuelle Lebensweise identifiziert oder eben der Sichtweise vieler schwuler Männer anpasst, die eine Gleichstellung mit den Privilegien der Heteromännern anstreben, was ja immer mit Privilegien über Frauen einhergeht. Sprich: Wenn man sich als Lesbe zu sehr mit der männlichen Weltsicht identifiziert, kann man sehr schnell wie eine Karrierefrau enden, die ihre Karriere in der Männerwelt nur auf den Schultern von osteuropäischen oder lateinamerikanischen Haushaltshilfen und Kindermädchen machen kann…
Lesbische Sichtbarkeit im kleinen Kreis ist für mich als Privatperson seit meinem bewusstem Interesse für öffentliches Wirken in Form von e.a. Tätigkeit bedeutsam geworden: für uns lesbische Frauen und die heterosexuell sichtbare Öffentlichkeit, in der wir uns bewegen, wo wir aktiv (oder passiv) sind, in der wir unser Leben einrichten.
Da ich parallel zu meinem Kommentar diese Podiumsdiskussion verfolge, fällt mir die auffällige (für mich unschön ausgesprochene) Betonung und zu häufige Erwähnung der Begriffe „lesbisch, Lesbe, Lesben …“ durch die Moderatorin auf („Ich muss es immer wieder sagen, weil es so ein Meilenstein ist“, sagt sie in der 14. Minute (und 18 Sekunden)im Zusammenhang mit der Vorstellung der Journalistin Inge von Bönninghausen, die 1992 mit der Journalistin und Autorin Viola Roggenkamp in der eigenen Sendung ihr öffentliches Coming-Out hatte).
Alle ersten Treffen, die ich seit meiner aktiven Suche nach lesbischen Frauen für Austausch und Unternehmungen im Kreis Gleichgesinnter hatte, fanden in der Öffentlichkeit statt (Parks, Lokale, Cafés), wo wir uns von Anfang an ungewöhnlich offen und zwanglos ausschließlich aus lesbischer Perspektive über Allgemeines und unsere ausgesprochen lesbisch fokussierten Interessen, Beschäftigungen und Erfahrungen unterhielten – natürlich gab es auch einen sehr unpassenden, wenig zielführenden Kommentar einer Hetera: „Das ist für uns nur krank“ angesichts der Auflösung einer Frauenfamilie, weil sich die leibliche Mutter in eine andere Frau verliebt hatte; verständlich jedoch, wenn frau bedenkt, dass heterosexuelle Verbindungen meistens unter weniger angenehmen Umständen getrennt werden (Streit und heftige Szenen bis hin zu körperlicher Gewalt, Anwalt, Aufteilung der ehemals gemeinsamen Güter, Sorgerechtsfrage für die Kinder).
Fortsetzung muss folgen.
Fortsetzung vom 16. Mai
Die junge (errichtet 2011), zukunftweisende „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ setzt Einstellung und Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland im Umgang mit nicht heterosexuell orientierten Menschen in ihrer Forschungs- und Bildungsarbeit um.
Die 160 lesbischen Besucherinnen und 20 Besucher dieser prominent besetzten Podiumsdiskussion (ich höre nebenbei wieder zu, etappenweise unter vielmals wiederholtem Zurückspielen und erneutem Anhören gleicher Abschnitte, wegen dem wertvollen Informationsgehalt, den diese vorbildlichen, ansprechenden beruflichen und persönlichen Werdegänge der in Politik, Wirtschaft, Medien, Kultur und Sport erfolgreichen Frauen vermitteln) wurden per Einladung ausgewählt, entsprechend dem Bildungs- und Förderungsauftrag der „Magnus-Hirschfeld-Stiftung“ und der „Wirtschaftsweiber“: Akzeptanz in Gesellschaft und Wirtschaft.
Das ermöglicht diese ehrlichen und offenen Stellungnahmen zu lesbischen Schlüsselbegriffen aus der eigenen Arbeit und Erfahrung heraus.
Wie auch von Claudia aufgegriffen, ist mit der lesbischen Orientierung auch meines Erachtens das feministische Bewusstsein einer Frau untrennbar verbunden, weil sie sich sonst mit der heterosexuellen Lebensweise identifiziert; eigenes Selbstbewusst-sein, eine eigene Vorstellung weiblicher Lebensgestaltung, das Bedürfnis lesbischer Frauen eigene Organisationsformen in großen Unternehmen / am Arbeitsplatz zu bilden um relevante Ansprechpartnerinnen zu haben, eigenes Durchsetzungs-vermögen entwickeln durch Berufe wie Fechtsport, eigene Treffpunkte für Jugendliche und interaktiver Sexualkundeunterricht und eigener Humor sind Voraussetzungen eigener Identität.
Eine eigene Etikettierung lesbischer Frauen im Berufsleben ist wichtig wegen unseres verschwindend geringen Anteils in Führungspositionen in einer heterosexuellen Männerwirtschaftswelt. Frauen mussten und müssen zunächst einmal Wertschätzung für andere Frauen entwickeln, die sich nicht an Anforderungen misst, die Männer an sie haben. Auch die Mutterschaft erscheint in diesem Zusammenhang als neutraler Wert, der für lesbische Mütter in Frauenfamilien (Göttin sei Dank!) kein fiktionales Vorbild mehr ist (wie von der WDR-Redakteurin und Journalistin Inge von Bönninghausen erwähnt), sondern Sinn und Zweck ihrer Familiengestaltung – lesbische Sichtbarkeit, die islamisch und orthodox religiös geprägte Anhänger extrem patriarchal orientierter Familienverbände fanatisch ablehnen.
Notwendig für die Entstehung lesbischer Eigenwerte sind freiwillig in der Jugendarbeit engagierte junge Frauen, die wie Louisa Voßen Trend-Labels wie „LGBT*“ und „queer“ kritisch gegenüberstehen und früh genug darauf hinweisen, dass lesbische Sichtbarkeit hinter Sammelbegriffen verschwindet. Aufrichtig ist hier der Publikumsbeitrag vom Umgang mit einem eigenen Rollenwechsel.
Sexuelle Aktivität hat für die meisten lesbischen Frauen (auch bei ihnen natürlich vor allem für junge Frauen zur Auffindung ihrer sexuellen Orientierung) einen eindeutigen Stellenwert in der Lebensgestaltung; die Bezeichnung einer Frau als lesbisch ist auch meiner Ansicht nach zwar nicht überwiegend politisch zu begründen (wie für Ulrike Lunacek), jedoch unabhängig davon, ob sie ihr sexuelles Begehren einer anderen Frau gerade auslebt oder nicht.
Was auch mich bewegt, ist der Rückzug lesbischer Frauen aus Vereinigungen und Öffentlichkeit (ein Grund für das Sterben von Frauenlokalen), wenn sie eine private Beziehung eingegangen sind; die Notwendigkeit über das Private hinaus zur lesbischen Sichtbarkeit beizutragen besteht: Bündnisse eingehen um in der Konfrontation mit fremden Strömungen zu bestehen.
Gut, dass es das Bedürfnis nach Sichtbarkeit gemäß eines anderen Beitrags aus dem Publikum schon seit den 80er Jahren bei Lesben gibt, die im Rahmen anderer Gruppierungen benannt werden wollten. Lesben, die durch ihre Sichtbarkeit angegriffen werden, dürfen sich nicht einschüchtern lassen und müssen gestärkt und geschützt werden.