Oder warum wir uns nicht als queer bezeichnen und auch nicht mit LGBT inklusive Transsexualität in Verbindung gebracht werden möchten.

Queer zu sein ist schick geworden, auch bei den Heteros, und klingt außerdem nach einer Menge Party-Spaß. Männer können Röcke tragen und rosa Spängchen im Haar, und Frauen mit falschen Bärten und weiten Unisex-Shirts aufkreuzen. Und auch für Lesben ist es irgendwie cooler und hat nicht so den Beigeschmack von verbissenem Politkampf in lila Latzhosen. Queerdenken und queerfühlen ist also angesagt, und mit diesem Motto geht es dann gegen den Dualismusterror und die Heteronormativität. Nur Mann und Frau waren gestern, jetzt aber ist Toleranz angesagt und das lustvolle Spiel zwischen den Geschlechtern.

Die Heteros schielen nach den Schwulen und machen ihre Mode, ihre One-Nigh-Stands und Partytrends nach. Die Schwulen und auch Lesben haben die Transsexuellen in ihre Gemeinde aufgenommen, bewundern sie für ihren Mut und ihren unbedingten Willen die beengenden Geschlechtergrenzen einzureißen. Und die Transexuellen selbst sehen sich als intersexuell im geistigen Sinne, ein richtiger Geist in einem falschen biologischen Körper, aber die plastische Chirurgie und lebenslange Hormongaben können da schon Abhilfe schaffen. Und dann blos nicht die vielen, sich selbst als Transident- Bezeichenenden zu vergessen. Magnus Hirschfelds Anfangsidee vom Dritten Geschlecht hat sich Dank ihnen zu einer Utopie über unendliche Geschlechteranzahlen ausgeweitet.

Anything Goes eben, Mann und Frau, Hetero, Bi, Lesbisch, Schwul, Trans, Inter-was auch immer, munter werden sexuell/emotionale Handlungen und Begehrenswünsche mit Identitäten durcheinandergewürfelt. Und jeder benutzt jeden/jedes für die eigenen Belange und Projektionen.

Doch ist wirklich alles so harmlos, tolerant und modern, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat? Und wie/wann ist überhaupt die Vorstellung vom Dritten Geschlecht (in Europa) entstanden, oder dass jeder irgendwie männliche und weibliche Anteile hat. Lesben lieben eine andere Frau mit einem „inneren“ Mann, Schwule haben eine feminine Seite, und Heteros werden androgyn queerdenkend- und liebend sich immer ähnlicher. (Äußerlich zumindest.)

Schauen wir uns also mal die Hierarchie der „Verwertungskette“ etwas näher an: Hetero-Schwul-Lesbisch-Transident-Transexuell-Intersexuell; und beim letzten und schwächsten Glied der Kette bin ich dann auch fündig geworden. Und einigen sehr interessanten Texten (die ich hier auch schon mehrmals vorgestellt habe) wird relativ verständlich erklärt, wie das alles historisch und ideologisch zusammenhängt. Das mit den Intersexuellen (biologischen Zwittern), den Sexualforschern des 19. Jahrhunderts (haben die Identität der Homosexualität überhaupt erst erschaffen), dem § 175 des deutschen Strafgesetzbuchs von 1872, dem Mitbegründer der ersten Homosexuellenbewegung Magnus Hirschfeld, bis hin zu der heutigen Queer-Trans-Homobewegung:

Mit Einführung des § 175 des deutschen Strafgesetzbuchs am 1. Januar 1872 wurden sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts als “widernatürliche Unzucht” unter Strafe gestellt. Zehntausende Männer wurden aufgrund des § 175 verurteilt, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aller Homosexuellen mit Füssen getreten.

Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895), Ahnherr der Schwulenbewegung, verschrieb sich dem Kampf gegen den diskriminierenden Paragraphen und veröffentlichte ab 1864 zwölf Schriften “Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe”.

Seine Forderung nach Straflosigkeit homosexueller Handlungen begründete Ulrichs mit seiner Theorie von der weiblichen Seele im männlichen Körper, was beweise, dass Homosexualität nicht krankhaft, sondern eine natürliche, angeborene Veranlagung sei, wie eben der Hermaphroditismus. Ulrichs sprach deshalb von ‚psychischem Hermaphroditimus’ oder ‚psychischer Zwitterbildung’. Das hatte Programm, wurden doch Hermaphroditen damals zwar als eigenartige, aber nicht illegale Wesen betrachtet, die für ihre Zweigeschlechtlichkeit nichts konnten, und waren somit im Gegensatz zu Homosexuellen nicht gesellschaftlich geächtet und kriminalisiert. Was lag also näher, als zwecks Entkriminalisierung von Homosexualität diese als besondere Form von Hermaphroditismus zu propagieren und somit zu legitimieren? Ulrichs setzte hier den Grundstein für die Vereinnahmung und Instrumentalisierung von Hermaphroditen.

Und dann kam Magnus Hirschfeld:

Der Sexualforscher und Mitbegründer der ersten Homosexuellen-Bewegung Magnus Hirschfeld (1868-1935) führte Ulrichs Kampf gegen den § 175 fort und übernahm dessen Vorstellungen von der Homosexualität als psychischem Hermaphroditismus weitgehend in seiner “Lehre von den sexuellen Zwischenstufen” oder unter dem Schlagwort vom “dritten Geschlecht”. Hirschfeld versuchte, diese Theorie immer wieder wissenschaftlich zu untermauern, u.a. durch Untersuchungen über Hermaphroditen (siehe z.B. “Sexualpathologie 2. Teil: Sexuelle Zwischenstufen. Das männliche Weib und der weibliche Mann”). Zur Untermauerung der Analogie von Homosexualität und Hermaphroditismus prägte Hirschfeld die Begriffe “Intersexualität”, “intersexuell” und “Intersexueller”.

Um glaubwürdiger zu wirken, verleugnete der Eugeniker Hirschfeld (Mitglied der Gesellschaft für Rassenhygiene) öffentlich lange seine eigene Homosexualität und schilderte Homosexuelle als minderwertig…

(Quelle: Rede von der „psychischen Intersexualität„)

Von von da an nahm alles seinen „queer-transgenden“ Lauf – und natürlich alles unter einem männlichen Vorzeichen, da der Schwule/Mann als homosexuelle Geschichte und Norm angesehen wird. Queer ist also unwiederbringlich mit etwas Problematischem verknüpft, denn Schwule und auch Lesben vereinnahme Transsexuelle, die sich an Intersexuelle hängen, diese Querverdindung wiederum der Homosexualität einen biologischen Außenseiter-oder auch Krankheitstatus verleiht und die Heterosexualität zur unbedingten Norm erhebt … das den Heteros es wiederrum erlaubt sich lustig als queer zu bezeichnen:

Ich sage das, weil es ein Phänomen gibt, Hermaphroditen unter solche neueren Zeichen wie Queer und Transgender zu subsumieren. Eine solche Entdifferenzierung kommt nur der Medizin entgegen, weil dadurch einerseits die je spezifische Problematik verdeckt wird und weil andererseits damit das von der Sexualmedizin begründete Konzept des Dritten Geschlechts aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts neu aufgelegt wird. Gelingt es der Medizin, einen solchen dritten Geschlechtssektor zu okkupieren und unterschiedslos Transsexuelle, Homosexuelle und Hermaphroditen darunter zu fassen, haben auch Lesben und Schwule eine pathologische Medizin wieder am Hals. Beispielsweise ist bereits jetzt an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf sowie an der Universität Lübeck ein millionenschweres Forschungsprojekt mit dem Titel „Störungen der körpergeschlechtlichen Entwicklung und Intersexualität“ angelaufen, und als erster Schritt wird mithilfe eines Umfragebogens ein Daten-Profiling nicht nur von Hermaphroditen, sondern auch von Transsexuellen sowie Lesben und Schwulen durchgeführt.

Durch die Queer- und Transgender-Modelle entstehen darüber hinaus Kolonialisierungskaskaden: Lesben und Schwule kolonialisieren Transsexuelle, und diese wiederum kolonialisieren Hermaphroditen. So haben etwa in der Berliner Partyszene die Tunten den Begriff Transgender für sich okkupiert und verneinen damit die Differenz, die zwischen ihnen besteht und Leuten, die die leidvolle Erfahrung machen müssen, dass ihre Einbildungskraft ihnen die Zugehörigkeit zu einem anderen Körper aufgibt als den, den sie besitzen. Gleichzeitig beginnen Transsexuelle für Hermaphroditen zu sprechen, sich unter Umständen sogar selbst als intersexuell zu bezeichnen. Aber damit verleugnen sie die Tatsache, dass genau die Operationen, die ihnen den Geschlechtsübergang erleichtern sollen, unter Umständen an der Verstümmelung von Hermaphroditen entwickelt wurden. Und vergessen Lesben und Schwule, wenn sie die Konstruiertheit von Geschlecht hervorheben, nicht allzu leicht, dass diese Formulierung für Hermaphroditen einen bitteren Beigeschmack hat? Denn an ihnen wurde versucht, ein Geschlecht zu konstruieren, und das mit katastrophalem Ausgang. (Quelle: Fürsorgliche Belagerung)

Harmlos, tolerant und modern ist das alles eher nicht- und ein Party- Spaß schon gar nicht…

Deswegen möchten wir uns weder als queer bezeichnen, noch mit Transsexuellen in einen LGBT-Topf geworfen werden. Diese Community basiert nämlich auf einer männlich/schwulen Geschichte (in der wir uns nur bedingt wiederfinden) und ihre Ideologie fußt u. a. in der Vereinnahmung inklusive zahlreicher gewaltsamen Zwangsoperationen intersexueller Menschen. Wir sehen uns daher mehr in der Tradition der Romantischen Frauenfreundschaften, sind einfach Frauen, die andere Frauen lieben, mit einem weiblichen Körper, einer weiblichen Identität und einem weiblichen Begehren. Und wir denken auch nicht, dass die lesbische- die Frauenliebe etwas Angeborenes (biologisches) ist, sondern eher eine kulturelle Errungenschaft und eine Eigenschaft, die (versteckt) in sehr vielen Frauen schlummert.

(Mehr Erklärungen siehe wie immer Kommentare)