Viele unserer Leserinnen werden sich über den literarischen Text zur Gräfin Erzsébet Báthory gewundert haben, sie werden sich gefragt haben: was hat eine Mörderin, eine Schlächterin von über 600 jungen Mädchen auf einer Seite für Frauen, die Frauen lieben, überhaupt zu suchen? Die Thematik unseres Blogs hat sich mittlerweile dahingehend geändert, dass wir versuchen Frauen in möglichst verschiedenen Facetten darzustellen, dazu gehören eben auch Mörderinnen, Frauen die richtig „krass“ sind und trotzdem ganz und gar weiblich bleiben. Wir wollen zeigen, dass auch Frauen grausam, sadistisch, triebhaft, sexuell sein können ohne dadurch zur bloßen Imitation des Mannes zu werden. Sie tun alles als Frau, als Frau, die begehrt und sich aus ihrer Passivität befreit.
Die Geschichte der Serienmörderin Erzsébet Báthory, die mit den meisten verübten Morden sogar im Guinnessbuch der Rekorde steht, ist einzigartig – erst ein Jahrhundert nach ihrer Verurteilung wurden ihre Prozessakten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – in Ungarn ist es bis heute ein Tabu über sie zu sprechen. Sie hat viele Schriftsteller inspiriert – es wird sogar vermutet, dass sie die „Urmutter“ aller Vampiergeschichten ist, im nachhinein entstand so die Legende, die Gräfin habe im Blut der Mädchen gebadet, um auf ewig jung zu bleiben.
Dass die Morde vor allem sexueller Natur waren macht Erzébet für uns so interessant, denn ihre Opfer waren ausnahmelos junge Frauen. Es gibt sogar Gerüchte über ein mögliches Verhältnis Erzébets mit einer geheimnisvollen Aristokratin, welche Männerkleider trug und manchmal an den Folterungen der Mädchen mit teilnahm. Außerdem steckte sie manchmal in Momenten größter Erregtheit eine brennende Kerze in die Vagina ihres Opfers.
Eine interessante Frage aber wäre, welchen Stellenwert zur damaligen Zeit die weibliche Sexualität hatte. Aus Zeitdokumenten geht hervor, dass im Spätmittelalter trotz kirchlich auferlegter Keuschheitsgebote (oder vielleicht sogar deswegen) eine im Vergleich zu anderen Epochen lockere Sexualmoral herrschte – Sex war aber nur der Akt zwischen Mann und Frau, die Penetration, die Vergewaltigung, alles andere wie Masturbation oder Homosexualität wurde nicht als sexuelle Handlung wahrgenommen. Und auch das Frauenbild ist mit dem heutigen kaum zu vergleichen, die Kirche betrachtete die Frau noch als gefährlich, als sexuell unersättliches Wesen und Verführerin aller Christen (Männer). Ihr wurde also durchaus eine eigene Sexualität zugestanden, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass der Frau noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Fähigkeit zum Orgasmus abgesprochen wurde.

Was man von Erzébet und ihren Verwandtinnen, wie z. B. ihrer Schwester Klara, weiß, korrespondiert mit dem Bild der lockeren Sexualmoral in dieser Zeit, denn besonders in den Oberschichten des Adels und des Klerus wurde allen möglichen Lastern gefröhnt. Die Familie der Báthorys war sogar bekannt für ihre Grausamkeit und abnorme Verhaltensweisen, das Töten aus reiner Lust galt als etwas „normales“, Erzébets Fall wurde nur so bekannt, da sie sich nicht nur am gemeinen Volk sondern später auch an adeligen Mädchen vergriff.
Andererseits stellt sich die Frage, wenn Erzébet wirklich Frauen begehrte, was dies in einer Gesellschaft bedeutete, die Sex nur als reine Penetration festlegte – war lesbische Liebe etwas abstraktes, ungreifbares, existierte lesbische Sexualität dann überhaupt, wenn es nicht eine konkrete Vorstellung davon gab? Es ist fast unmöglich sich in die Gefühlswelt der Menschen von damals hineinzuversetzen, geschweige denn in die einer Serienmörderin – man kann nur versuchen sich dem irgendwie anzunähern. Fakt ist, dass Erzébet hochgradig depressiv war und dazu auch noch überaus narzisstisch (sie verbrachte Stunden damit, vor einem Spiegel zu sitzen und sich zu betrachten), dies sind Eigenschaften die auch heute nicht unbekannt sind. Nach Simone de Beauvoir ist der weibliche Narzissmus ein Mittel zur Flucht aus einer patriarchalen Welt in der die Frau dazu verurteilt ist, auf ewig Objekt und Besitz des Mannes zu sein. Narzissmus und nicht auslebbares lesbisches Begehren sind in manchen Fällen eng miteinander verquickt – die Freundin, die weibliche Schönheit, die die Frau nicht begehren darf sucht sie unbewusst in ihrem eigenen Spiegelbild.

Ich denke, dass Erzébet Báthory eine Frau war, die äußerst stark begehrte, sowohl Männer als auch Frauen, und vielleicht war sie davon besessen die Mädchen wie ein Mann zu nehmen, zu besitzen, zu vergewaltigen, mit ihnen körperlich zu eins zu werden. Da Sexualität damals vor allem mit Penetration verbunden wurde, kannte sie nur diese Art und Weise, sexuell zu sein. Frauen mussten damals, wie es heute noch in vielen arabischen Ländern der Fall ist, als unversehrte Jungfrau in die Ehe gehen und wurden dann in den meisten Fällen vergewaltigt, das Blut auf dem Laken war der Beweis für ihre Jungfräulichkeit. Vielleicht versuchte sie eine ähnliche Art von Entjungferung herzustellen, da sie ihren eigenen Körper nicht dazu benutzen konnte, tat sie dies mit Hilfe von Werkzeugen/Waffen/Folterinstrumenten, wie z. B. der eisernen Jungfrau, welche das Mädchen fest in ihre Arme schloss und es dann mit fünf Dolchen durchbohrte, dass Durchbohren war ein symbolischer Akt der körperlichen Verschmelzung. Sie versuchte diese auch herzustellen, in dem sie z. B. mit dem Mund Stücke aus dem Fleisch ihrer Opfer riss und ihr Gewand mit dem Blut der Mädchen tränkte. Dies alles spricht für eine extreme Leidenschaftlichkeit, die sich in der Gestalt unfassbarer Grausamkeit äußerte.
Die passiven schönen Körper der Mädchen müssen sie in Rage versetzt haben, denn sie sah sich selbst darin gespiegelt – vollkommene Schönheit, die zur ewigen Handlungsunfähigkeit verdammt war. Auch das Übergießen der Mädchen mit Eiswasser spiegelt dies symbolisch wieder.
Ein wenig erinnert mich Erzebeths Geschichte auch an das Märchen vom Schneewittchen – ihr Aussehen, die schwarzen Haare, die weiße Haut, das rote Blut, der Spiegel, das Schloss, und die getöteten Mädchen – es steckt aber meiner Meinung nach mehr dahinter, als der bloße Wunsch, ewig jung zu bleiben, „die Schönste im ganzen Land“ zu sein, so wie die Geschichte der Blutgräfin oftmals in konventioneller Art und Weise gedeutet wird. Weiblicher Narzissmus ist mehr als nur das Verliebtsein in sich selbst – es ist, als ob man in den Spiegel schaut und darauf wartet, dass irgendwann eine andere Frau den eigenen Blick erwidert.

Eine literarische Annährung von der argentinischen Schriftstellerin Alejandra Pizarnik: