Auf dem Blog „Die Störenfriedas“ wurde neulich ein sehr schöner und differenzierter Text über Frauenliebe veröffentlicht, über ihr eingezwängt sein zwischen homosexueller Identiät und der Vereinnahmung durch Männer:
Freundinnen – Frauenliebe, Feminismus und der Sex
„Lesbianismus ist keine Frage der sexuellen Vorliebe, sondern eine politische Wahl, die jede Frau treffen muss, die ihre weibliche Identität finden und so die Herrschaft des Mannes beenden will.”
hat Charlotte Bunch vor nicht allzu langer Zeit geschrieben. Es klingt ein wenig wie eine Kampfansage aus einem vorangegangenen Jahrhundert. Lesbisch sein aus politischer Entscheidung? Eine seltsame Art, sich an die Liebe heranzuwagen und doch steckt hinter diesem Satz eine tiefere Erkenntnis: Die Sexualität der Frauen beschränkt sich nicht auf eingeprägte Vorlieben, Fetische, so wie es die Männer mit Füßen, Latex oder Hintern tun. Sie ist ein “Allesfresser”, wie ein kluges Buch (Die versteckte Lust der Frauen, ein Forschungsbericht) vor kurzem verwundert feststellte – natürlich war es von einem Mann geschrieben, der gar nicht glauben wollte, dass Frauen sich tatsächlich jederzeit aussuchen können, wen sie wie lieben und begehren und daraus gar keine große Sache machen müssen. Hochtrabend wird dann oft gesagt, man liebe ja den “Mensch” und nicht das Geschlecht, aber ich finde, das ist ein wenig zu klein gedacht. Liebt man nicht eben jenen Körper, die Körperlichkeit des anderen, die doch, beständig wechselnd, den Gegensatz braucht? Von aktiv zu passiv, von empfangend zu geben, von schwach zu stark, ohne dass die Rollen in diesem Spiel festgeschrieben sind? Und wenn man liebt, liebt man dann nicht genau jenes Andere im Körper neben einem? Ist die Liebe ohne Körper, ohne dessen Anziehungskraft möglich, also die begehrende Liebe?
Männer haben den Sex, die Liebe hierarchisch gemacht, eingeordnet, eingesperrt. Männlich ist, wer stark ist, dominiert, wer fickt oder wer eben von einem anderen unterwürfig verwöhnt wird, ja, wer sogar für diese Unterwürfigkeit zahlen kann und niemand wirft es ihm vor. Wer einen Mann begehrt, der ist schwul, so trommeln sie sich schon als Jugendliche auf die Brust – ein Gegensatz zum “echten” Mann, und wenn eine Frau eine Frau begehrt? Dann ist sie genauso wenig “lesbisch”, hat sich genauso wenig ein Etikett verdient, wie der Mann, der einen anderen begehrt, jeder Mensch, der einen anderen will, für den Moment, für immer, vielleicht. Dieses Etikett soll doch nur dabei helfen, die Sexualität erfassbar, kontrollierbar zu machen, simpel, so wie sie viele Männer lieben. In ihrem Inneren leben sie in furchtbarer Angst vor jener Sexualität der Frauen, die keine Geschlechter, keine festgelegten Rollen kennt – außer jenen, die ihr schmerzhaft beigebracht wurden – die mysteriös, unberechenbar ist, eine Lust, die sich nicht schert um jene Etikette. Dennoch – und das ist wichtig: Lesbisch zu sein ist für viele ein entscheidender Teil ihrer Identität und daher im Kampf für die Gleichberechtigung mit der dominierenden Heterosexualität wichtig. Nicht alle Frauen, die Frauen lieben, wollen diesen Kampf aber austragen.
“Was ist die wirkliche Bedrohung, die Lesben repräsentieren? Sie sind der lebende Beweis, dass Frauen nicht als natürliche Sklavinnen der Männer geboren sind”,
schrieb die inzwischen verstorbene, französische Schriftstellerin Monique Wittig. Das ist es wohl, was die Männer so zutiefst verstört an Frauen, die Frauen lieben. Doch der Mann hat einen Weg gefunden, sich auch in diese intime Beziehung zu mischen, er hat den Sex zwischen Frauen zu einem seiner Fetische gemacht und ihm damit in den endlosen, stumpfen Inszenierung von “Lesbensex” im Porno seine Seele genommen. Weit entfernt von dem, was Frauen miteinander tun, wenn sie wirklich unter sich sind, wird hier das Lesbischsein gespielt, als ein reiner Aperitif auf den “echten” Sex – der natürlich den Mann im Zentrum hat, konkreter: Die Penetration. Erkennen sie jedoch, dass es sich beim Sex unter Frauen nicht nur um ein “Vorspiel” für den Tanz um das goldene Kalb, ihren Phallus handelt, so wechselt die Meinung der Männer sehr schnell. Aus “Mach doch mal mit deiner besten Freundin rum”, wird giftige Eifersucht, die zwischen beständiger Abwertung des Sex zwischen Frauen und tiefer Furcht wechselt. Die andere, die Frau, jene, die ist, was er nie sein kann, wird zur Gegnerin, die mit Verachtung und Ausgrenzung überschüttet wird. Er fühlt sich ausgeschlossen und versteht nicht, dass zwei Wesen, die er prinzipiell als Dienerinnen seiner Lust betrachtet, ihn überhaupt nicht brauchen und miteinander Pfade betreten, von denen er nichts versteht.
In der Geschichte gab es viele berühmte Frauenpaare, viele von ihnen waren Feministinnen, die in der Kameradschaft mit einer Frau eine Freiheit fanden, die ihnen die Gesellschaft sonst nie gewährt hätte. Offen ihre Partnerschaften zu leben, wäre gefährlich gewesen, und doch wurden diese Freundschaften still geduldet, meistens. Wenn Frauen sich zueinander bekennen, dann ist das oft eine Abwägung, die Erkenntnis, dass das Leben an der Seite der jeweils anderen ein Hafen ist, eine Vertrautheit, die nichts von den Kämpfen zwischen Mann und Frau weiß. Die Rolle von Lust dabei ist eine andere als in heterosexuellen Beziehungen und doch hat das Bekenntnis einer Frau zur anderen noch immer nichts mit Lesbischsein zu tun. Ich kenne viele Frauen, die nach Ehe und Kind eine Weile oder auch eine lange Weile mit einer Frau zusammen leben, andere überlegen es sich wieder anders. Als “Lesben” würden sie sich kaum bezeichnen. Die stille Frauenliebe, jene ohne politischen Kampf um die Rechte für Homosexuelle, ohne Szeneleben, ist wohl viel häufiger als jene, die offen sichtbar auftritt. Inzwischen gibt es den Freiraum, das zu tun, nach langen Kämpfen. Und dennoch wollen viele gar nicht in diesen Freiraum, weil sie das, was zwischen ihnen und ihren Partnerinnen ist, für sich behalten wollen, um ihm eben nicht jene Selbstverständlichkeit, jene Intimität zu nehmen, es nicht preiszugeben an tatsächliche oder nur gefühlte Urteile oder aus der leider noch nicht immer verschwundenen Diskriminierung von Homosexualität im Alltag. Dennoch: Lesbische Liebe lässt sich nicht in Kategorien und sprachliche Begrifflichkeiten einordnen.
Eine Frau zu lieben, zur Partnerin zu haben, war und ist für viele Frauen eine glücklich leb- und liebbare Entscheidung, weg von jenen Zumutungen, die das Patriarchat für Frauen bedeutet: Schwangerschaften, häusliche Gewalt, Vergewaltigungen, Erniedrigung, Ausbeutung und schlechten Sex. Studien haben gezeigt, dass lesbische Frauen das mit Abstand erfüllteste Sexualleben haben.
“Erst in einer tiefen Freundschaft mit einer Frau ist wahre Nähe, Vertrauen und Geborgenheit möglich. Aus dem Gleichklang von Fühlen und Denken, von Interessen und Wünschen ergibt sich die totale Erfüllung in der Liebe. .“,
sagte Vita Sackville-West.
Das bedeutet nicht, dass Frauen nicht hassen, zerstören, gewalttätig sein können, untereinander, miteinander. Doch trägt diese Form von Gewalt nicht jene Wucht, die die männliche per gesellschaftlicher Legitimierung gleich als ein ganzes System auftreten lässt.
Für den Feminismus bedeutet Lesbischsein viel mehr als nur die gelebte Konsequenz der Kampfansage an das Patriarchat, heute heißt das oft in der Freundschaft von frauenliebenden Frauen und jenen, die Männer begehren, dass die ersteren den letzteren hin und wieder den Kopf gerade rücken, wenn all das, was in der Theorie so glasklar ist, in den eigenen Beziehungen auf einmal nicht mehr umsetzbar ist, weil Patriarchat und die Unterdrückung der Frau sich oft hinter subtilen Mechanismen verbergen, fast unmöglich zu erkennen, wenn man jenen liebt, der sich ihrer bedient.
“Freundinnenschaft hat nichts mit dem Niederreissen der “Grenzen” des Selbst zu tun, sondern damit, die einengenden Mauern, in die “die Selbst” eingesperrt wurde in Staub zu verwandeln. Obendrein ist Freundinnenschaft nicht damit beschäftigt “Grenzen auszudehnen und sie intakt zu halten”, sondern damit Energie, Kraft, Vision, psychische und physische Räume auszudehnen. Freundinnenschaften brennen die Mauern / Grenzen der von Männern formulierten Kategorien und Definitionen nieder”, hat Janice Raymond so treffend formuliert.
Und auch hier wittert der Mann Verrat an der sich ständig wiederholenden Verehrung seiner Sexualität, die der Schrein ist, an dem unsere ganze Gesellschaft betet. “Feministinnen sind doch alles Lesben”, speihen sie verächtlich aus, ganz als seien beide Wörter untereinander austauschbare Schimpfwörter. Man fragt sich, was schlimmer ist, in seinen Augen.
Die Liebe unter Frauen war und ist Triebkraft für Kunst und politischen Kampf, für die kollektive und die individuelle Befreiung, sie ist Ausdruck von Freiheit, von dem Ausbrechen aus jenen Schubladen und Kategorien, die doch Männer erfunden haben und die deshalb auch nur für Männer gelten sollten.
“Manch eine wird, das sage ich, in künftigen Zeiten an uns denken,” schrieb die unvergleichliche Sappho vor 2000 Jahren. Man will ihr zurufen: “Ja! Ja!”
Orginaltext auf: Die Störenfriedas, Freundinnen – Frauenliebe, Feminismus und der Sex