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Das hier ist der vierte Teil meiner Butch-Femme-Reihe und er beschreibt, wie aus dem Rollenspielrevival der 80er Jahre sich das Phänomen der Transmänner, also der Frau-zu-Mann (FzM) Transsexualität entwickelt hat. Und es ist ein wenig mein persönliches „Horrorthema“, weil ich diese patriarchal-maskuline Butch-Inszenierung schon immer sehr bedenklich fand und finde, aber wenn sich Frauen dann entschließen völlig ihrer weiblichen Existenz zu entfliehen um endgültig „Männer“ zu werden, gleicht das einem- in vorauseilendem Gehorsam- selbst ausgeführten Femizid, oder der kompletten Leugnung von Frauenliebe. Und jede nur leiseste Kritik an dieser Praxis wird von der LSBTTIQ-Gemeinde (und sehr oft auch von „homofreundlichen“ Heteros) mit den Totschlagargumenten: „Recht auf Identität“, „Heteronormativität“ und „Transphobie“ zumeist schon im Keim erstickt. Wie auch immer. In Teil fünf und Teil sechs werde ich (bzw. Sheila Jeffreys) noch etwas mehr auf die Techniken und gesundheitlichen Risiken der FzM-Operationen eingehen, sich mit der Frage auseinandersetzen, wie und warum die akademische Queer-Theorie die Female Masculinity und Transsexualität so überaus freudig in ihre Agenda aufgenommen hat, und schließlich die eigentlichen Gründen für diese schweren Eingriffe detaillierter erläutern.

FzM-Transsexualismus und die Vernichtung der Lesben
In den späten achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann der Frau-zu-Mann (FzM) Transsexualismus in den westlichen Ländern zu einer Epidemie zu werden. Frauen, die sich früher als Butch-Lesben identifiziert hatten, oder Angst hatten, sich als Lesben zu bezeichnen, obwohl sie Frauen liebten, entschieden sich zunehmend für eine operative Verstümmelung. Ich bezeichne dies als Vernichtung von Lesben, weil Lesben mit dieser Operation künstlich vernichtet werden: mit dem weiblichen Körper wird auch ihr Lesbianismus entfernt.

Auch der Lesbianismus ihrer weiblichen Partner wird schwer geprüft, da sie sich entweder daran gewöhnen müssen, chirurgisch  konstruierte „Männer“ zu lieben oder zu gehen. Zu den Operationen, die FzM-Transsexuelle machen müssen, gehören beidseitige Mastektomie Hysterektomie (Brust- und Gebärmutterentfernung), und manchmal Phalloplastiken, die im Genitalbereich Klumpen inaktiven Gewebes bilden. Sie injizieren lebenslang männliche Hormone mit besorgniserregenden Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Dieses Problem ist, wie ich vorschlagen möchte, zum Notfall der lesbischen Politik geworden. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand mit der Entwicklung der radikal-lesbischen und schwulen Bewegungen ein Bewusstsein dafür, wie barbarisch die Methoden waren, mit denen die Medizin im zwanzigsten Jahrhundert den Lesbianismus ausrotten wollte – dazu gehörten Zwangsaufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern, Elektroschockbehandlung und Lobotomie.

Eine ganz neue Zeit schien herangebrochen, in der diese grausamen Formen der Kontrolle der Vergangenheit angehörten, so dass Lesben mit ihrem lesbischen Körper in Einklang und glücklich leben konnten. Die blühende Praxis der transsexuellen Chirurgie an Lesben macht deutlich, dass dieser Optimismus unrealistisch war. Im einundzwanzigsten Jahrhundert sind die Methoden, die angewandt werden, um Lesben los zu werden, sehr viel grausamer, als wir uns das vor dreißig Jahren hätten vorstellen können.

Der Enthusiasmus, mit dem die Queer-Theorie und -Politik transsexuelle Chirurgie gefeiert haben, erweist sich als der wichtigste Hemmschuh, um diese Notlage zu erkennen. Transsexuelle wurden ohne Bedenken in die queere Koalition von LSBT (2014: LSBTTIQ – lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queer) aufgenommen. Sie galten als RevolutionärInnen und durch und durch queer (Stryker 1998; Halberstam 1994) Nur wenige äußerten sich kritisch, vielleicht auch deswegen, weil sie der „Transphobie“ angeklagt  und verunglimpft wurden.

Eine bemerkenswerte Ausnahme ist Alix Dobkin, die inspirierende, lesbisch-feministische Sängerin und Songschreiberin aus den USA, die den Mut gehabt hat, sich aus Sorge um die jungen Lesben in ihrer Gemeinschaft gegen den FzM Transsexualismus auszusprechen. In diesem Kapitel werde ich aufzeigen, wie diese Epidemie sich auswirkt und sie in ihren historischen und politischen Zusammenhang in Bezug auf die Unterdrückung von Lesben setzen. Ich werde mich auf FzM (Frau-zu-Mann-Transsexuelle) mit weiblichem Pronomen und auf MzF (Frau-zu-Mann-Transsesxuelle) mit männlichem Pronomen beziehen, um ihre ursprüngliche Geschlechterklasse hervorzuheben. Der Gebrauch von Pronomen der politischen Klasse, der diese Menschen zugeordnet werden wollen, würde eine politische Analyse sehr schwierig machen.

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Als lesbische Feministinnen zum ersten Man auf das Problem Transsexualismus aufmerksam wurden, war klar, dass die große Mehrheit derjenigen, die „neu zugeordnet“ wurden, Männer waren. Die Analyse des Transsexualismus ergab, dass er eine Form soziale Kontrolle darstellte und für ein medizinisches Imperium finanziell von Interesse war. Ein ernstes Problem für Lesben aber schien er nicht zu sein. Das Bild hat sich jedoch gewandelt. In den späten achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen Lesben zu „transitionieren“, wie sie den Prozess, von einer Lesbe zu einer FzM zu werden, nannten – und die Zahlen eskalieren, ausgehend von der derzeit entstehenden Webseiten, Konferenzen und Organisationen. Das FTM-Netzwork in Großbritannien, eine Selbsthilfegruppe für Transmänner begründet von Stephen Whittle, existiert seit 1990 und hat nur 700 Mitglieder, allein in Großbritannien sowie Mitglieder in weiteren 20 Ländern. Loree Cook-Daniels in den USA, deren Geliebte eine FzM ist, erklärt, dass sie dachte, ihre Situation sei einmalig, bis sie mit ihren Freundinnen darüber gesprochen hatte. Wie es sich herausstellte, waren unter den ersten dreißig in einer Beziehung lebenden lesbischen Freundinnen, mit denen sie sprach, drei, die aussagten, dass eine der Partnerinnen „das Gefühl hatte, dass auch sie eine Frau-zu-Mann Transsexuelle (FzM) sei“. Eine vierte sagte, dass „sie mit der Frage seit vielen Jahren gekämpft hatte, bevor sie sich entschloss, ihren weiblichen Körper und ihre weibliche Rolle zu behalten“. Traurigerweise beging Cook-Daniels FzM-Partnerin im Jahre 2000 Selbstmord. Eine kürzlich aufkommendes Phänomen ist die „Transitionierung“ von Lesben um Schwule zu werden. Tatsächlich schein dies eine neue Entwicklung zu sein. Sie ist besonders häufig unter Lesben, die jahrelang Sadomasochismus praktiziert haben, oft zusammen mit Schwulen. Lianna Due, Mitherausgeberin der Anthologie Dagger: On Butch Women (1994) zitiert FzM David Harrison, der sagt, dass 1995 fast die Hälfte der 250 FzM auf einer Konferenz in den USA zu dem Thema sich als schwul identifizierten.

Der FzM-Transsexzualismus ist ein wichtiges Thema lesbischer Politik, weil die große Mehrheit der Frauen, die transitionieren, sich als Lesben bezeichnet haben oder zumindest innerhalb der lesbischen Gemeinschaft lebten und Beziehungen zu Lesben unterhielten. Lesben als maskulin zu bezeichnen, war historisch gesehen eine wichtige Möglichkeit, die Kontrolle zu behalten. Lesbische Feministinnen haben sich in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts detailliert damit auseinandergesetzt, wie maskuline Wissenschaft und Kultur versucht haben, Lesben herabzusetzen oder zum Verschwinden zu bringen, in dem sie als maskulin dargestellt wurden oder als Menschen, die eigentlich Männer sein wollten. Viele Lesben in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts lehnten die Überzeugungen der Feministinnen ab. Ganz im Trend der Zeit entwickelten sie einen Sadomasochismus und das Butch/Femme-Rollenspiel, aus dem sich das Phänomen des FzM-Transsexualismus entwickelt hat. Die meisten derjenigen, die transitionieren, dringen auf einen klaren Unterschied zu Lesben, obwohl sie eine lesbische Vergangenheit haben und in einigen Fällen früher leidenschaftlich erklärt hatten, wie stolz sie darauf seien, Lesben zu sein. Eine Geschlechtsumwandlung wäre ihnen ein paar Jahre früher nicht in den Sinn gekommen. Diese Unterscheidung ist notwendig, weil sie sich als „Männer“ sehen wollen und jegliche Verbindung zu ihrem früheren Lesbianismus diese Überzeugung erschüttern könnte. FzM-Aktivistinnen betonen „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen sexueller Orientierung und Genderidentiät“.

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Holly Devor hat eine Studie über das Phänomen FzM-Transsexualität durchgeführt und dazu fünfundzwanzig FzM befragt. In dieser Studie findet sich kein Anhaltspunkt für eine solche Unterscheidung. Die große Mehrheit der von ihr befragten lebten währen der „Transition“ und zum Zeitpunkt der Befragung in einer Frauenbeziehung. Neunzehn Teilnehmerinnen hatten in ihrer Pubertät sexuelle Beziehungen zu Frauen gehabt. Zehn ihrer Teilnehmerinnen hatten Geliebte gehabt, die sich während der siebziger und achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts als lesbische Feministinnen definierten und durch sie auch zu ihrem Selbstverständnis gefunden hatten. Devor machte für die Entscheidung dieser Frauen, keine Lesben, sondern „Männer“ zu sein, auch den Einfluss des lesbischen Feminismus auf die Entwicklung lesbischer Identität verantwortlich. Für lesbische Feministinnen war das Aufzwingen von Genderrollen das Fundament männlicher Vorherrschaft. Sie standen daher Lesben, die solche Rollen übernahmen, kritische gegenüber. Nach Holly Devor machte dies die lesbisch-feministisch beeinflusste Gemeinschaft zu einem weniger freundlichen Ort für Lesben, die mit Maskulinität liebäugelten und sich selbst als Butch sahen. Aus sie sich aus der lesbisch-feministischen Gemeinschaft ausgeschlossen fühlten, war die einzige Alternative, tatsächlich zu Männer zu werden. Sie erklärt, dass die Teilnehmerinnen ihrer Studie „sich von einer lesbischen Identität, die auf einer älteren Definition von Lesbe basierte, angezogen gefühlt“ hatten, die Maskulinität mit einschloss. Sie fühlten sich „beschämt, verlegen oder abgestoßen von den spezifisch weiblichen Aspekten ihrer Körper und hatten daher wenig Lust, sich ihren Gefährtinnen in der Glorifizierung von Weiblichkeit anzuschließen“. Ihr Unbehagen in einer lesbischen Gemeinschaft, die nun „maskuline“ Lesben zurückwies, wurde durch die Entdeckung des „gesellschaftlich verfügbaren Konzeptes des Frau-zu-Mann Transsexualismus“ gemildert.

Judith Halberstam

Judith Halberstam, auch Jack Halberstam (* 15. Dezember 1961) ist eine US-amerikanische Anglistin und Hochschullehrerin an der University of Southern California. Sie gilt als eine der profiliertesten Theoretikerinnen Nordamerikas im Bereich der Gender- und Queer Studies.

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C. Jacob Hale is Professor and Associate Chair of the Department of Philosophy at California State University, Northridge, where she/he also directs the Center for Sex and Gender Research and is a member of the Queer Studies Program’s Advisory Committee.

Judith Halberstam, die sich als Transgender-Butch bezeichnet und C. Jacob Hale, die sich als FzM sieht, haben sich mit den Unterschieden zwischen FzM und Butches befasst. Sie halten diese für möglicherweise falsch, weil sie nur dazu dienen, die eindeutige Erkennbarkeit der sich als FzM bezeichnenden Menschen zu gewährleisten. Sie erklären, dass „FzM beklagten, dass Butches (die unmissverständlich als lesbische Frauen gesehen werden oder als nur mit Gender „spielend“) sich fälschlicherweise als Transgender oder als transitionierend bezeichnen. Einige FzM haben das Gefühl, dass ihre transsexuelle oder männliche Ernsthaftigkeit und Einzigartigkeit durch die Anwesenheit von Butches verwässert wird. Hale argumentiert, dass sich Butch und FzM nur dadurch unterscheiden, dass sie sich selbst so bezeichnen. Sie sagt, dass „gegenwärtig die eigenen Identifikation als Butch oder FzM das einzige Charakteristikum ist, das manche Butches oder FzM unterscheidet“. Sie erklärt weiter, dass unter Lesben, die sich als Butch und denjenigen, die sich als FzM bezeichnen, eine Hierarchie entstanden ist. Sie wetteifern darum, wer maskuliner ist: „der Kerl mit dem größten Schwanz gewinnt“. Dies dürfte jenen ChirurgInnen und SexologInnen einige Schwierigkeiten bereiten, die sich früher damit gebrüstet haben, in der Lage zu sein, den Unterschied zwischen echten Transsexuellen, die eine Operation verdienen und anderen zu erkennen. Die Vorstellung, dass es „echte“ Transsexuelle gibt, kann unter Umständen nur schwer aufrechterhalten werden.

Halberstam erklärt, dass die „Unterschiede zwischen Transsexuellen und Lesben manchmal ziemlich verschwimmen können. Viele FzM hatten ihr Coming-Out als Lesben vor dem als Transsexuelle. Viele bezeichneten sich vor ihrer Transition innerhalb der lesbischen Community als Butch und möchten auch weiterhin mit dieser Gemeinschaft verbunden bleiben. Gleichzeitig versuchen FzM in vielen Artikeln und Geschichten, „die lesbischen Vergangenheiten von FzM als Beispiele falsch verstandener Identitäten hinzustellen oder als Bemühungen, vorübergehend Zuflucht in der queeren Vorstellung eines „Butchseins“ zu finden, das vom zugeschriebenen Gender abweicht“. Sie sagt, dass FzM auf FzM-Internetseiten Tipps finden können, um nicht mit Butch-Lesben verwechselt zu werden. Einer davon ist, sich auf eine adrette Art zu kleiden und nicht in schwarzen Lederjacken. Sie scheint besorgt darüber, dass FzM-Transsexuelle Butches wie sie selbst in der Transgression, dem Höhepunkt der Queer-Politik, ausstechen könnten: „FzM wird oft die Rollen derjenigen zugewiesen, die Grenzen (von Geschlecht, Gender, Körperkohärenz) übertreten,während Butches als standortverhaftet gelten. In einem Kampf darum, wer maskuliner ist, scheinen diese Lesben um maskuline Macht und maskuline Privilegien zu kämpfen. Sollten sie zuviele werden, könnte dies den Wert mindern. Halberstam stellt Vermutungen darüber an, warum einige Butches nicht bis zur Transition gehen wollen. Einigen fehlt das Geld dazu oder sie stehen einem „Genderqueersein“ nahe. Manchen ist es zu anstrengend, solange funktionierende Penisse eine technologische Unmöglichkeit bleiben und wieder anderen genügt es, einfach eine Butch oder Transgender, wie sei selbst, zu sein, ohne gleich ein „Mann“ werden zu wollen.

Viele Schriften der zeitgenössischen Transgender-AktivistInnen machen deutlich, dass der Transsexualismus tatsächlich aus einer Existenz als Butch entsteht und keineswegs ein ganz eingenständiges Phänomen ist. Um diese Entwicklung zu verstehen, ist es notwendig, sich mit der Entstehung des Kults des lesbischen Rollenspiels in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu befassen. Für unseren Kritik dieser Entwicklung in der lesbischen Kultur hat Halberstam die lesbische, feministische Philosophin Marylin Frye und mich „geschlechtsnegativ“ genannt. Nun schein es, als ob wir die schädliche Auswirkung der Förderung des Rollenspiels in dieser Zeit unterschätzt haben könnten. Der FzM-Transsexualismus ist eine sehr ernste Folge davon.

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Das Butch/Femme-Rollenspiel
Die lesbische Befreiungsbewegung, die sich in den späten sechziger Jahren in den USA sprunghaft entwickelt hatte und auf die anderen, westlichen Länder übergriff, basierte auf der Ablehnung der sogenannten „Geschlechterrollen“ der heterosexistischen Kultur. Ihre Aktivistinnen kritisierten das Ausleben von Geschlechtsrollen der heterosexuellen Kultur durch Lesben, das sogenannte lesbische Rollenspiel. Die lesbische Befreiungsbewegung war ein Beispiel für die feministische Überzeugung, dass Frauen sich selbst neu erfinden und das Joch erwarteter Verhaltensweisen abschütteln konnten, ganz gleich, ob diese auf dominanter Maskulinität oder untergeordneter Femininität begründet waren. Lesben waren nun frei, eine vergleichsweise neue Form von Weiblichkeit zu entwickeln, die diese Zweiteilung zu Fall bringen und es Frauen erlauben würde, neue, von Gender unabhängige Lebensweisen zu finden. Am stolzesten waren Lesben auf einen Aspekt des lesbischen Feminismus: die Bildung gleichberechtigter Beziehungen ohne das Rollenspiel von männlicher Dominanz und weiblicher Unterordnung. Auch für andere Frauen war dies der wichtigste Anziehungspunkt.

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In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts jedoch kam das Butch/Femme-Rollenspiel, das die übertriebenste Version von Femininität und Maskulinität der heterosexuellen Kultur nachäffte, in einigen einflussreichen Bereichen der lesbischen Gemeinschaft wieder zu Ehren. Lesben wie Merrill Mushroom, Joan Nestle und Amber Hollibaugh machten das Rollenspiel populär, das zu eine abgeschwächten Form des Sadomasochismus wurde, in der Lesben sich dem Vergnügen erotisierter Dominanz und Unterwerfung hingeben konnten. Einige Bereiche der lesbischen Kultur, wie die neue lesbische Pornografie, wurden zunehmend von der Wertschätzung der Maskulinität dominiert. Dies galt auch für das Phänomen der Drag Kings, bei dem Lesben öffentlich Schwule imitierten und für die Genauigkeit ihrer Darstellung mit Preisen ausgezeichnet wurden. Ausgehend von den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts behaupteten manche Lesben, dass butch zu sein nur authentisch sein könne, wenn chirurgische oder chemische Selbstverstümmelung Lesben zu heterosexuellen oder schwulen Männern machte.

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Das Butch/Femme-Rollenspiel, das in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Mode wurde, war nicht sehr ausgefeilt. Wie die Anthologie The Femme Mystique aufzeigt, ist das Modell von Femininität und Maskulinität, das die wichtigsten, US-amerikanischen Befürworterinnen des Rollenspiels übernommen haben, die übersteigerte Version jener heterosexuellen Dynamiken, wie sie in den Hollywood-Fimen der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts oder in altmodischen Liebesromanen auftauchen. Die Femininität der Femmes war mit Ungleichheit verbunden – sie machten die meiste Hausarbeit – aber auch mit einer freiwillige angenommenen Machtlosigkeit, die wahrscheinlich für heterosexuelle Frauen der Gegenwart uninteressant wäre. Kelly Conway sagt, dass sie von zwei Butches aufgezogen wurde und dann lernte, eine Femme zu sein. Sie wurde von einer Freundin in „der erotischen Dynamik von Butch/Femme“ unterrichtet. „Es erregt mich, wenn sie mir Türen aufmachte“. Obwohl sie es erst erlernen musste, behauptet sie trotzdem, dass eine Femme zu sein ihr „wirkliches“ Selbst sei: „Heute weiß ich, dass eine Butch oder Femme zu sein nicht bedeutet, eine Rolle zu spielen, sondern das eigene Sein auszudrücken“. Sie scheint von einem romantischen Masochismus angetrieben zu werden. „Ich bewundere meine Butch für ihre Stärke und Intelligenz und für die Macht, die in ihrer Fähigkeit, so sanft zu sein, liegt … Es ist entspannend, mich in einem Albtraum auf starke Arme verlassen zu können, die Kontrolle auf Spinnen (die im Albtraum ;) abzugeben und es mir zu erlauben, verletzlich und fürsorglich zu sein“.

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Die Hausarbeit wird von den Rollenspielerinnen, die ihr Spiel genau nehmen, nach extrem strengen Genderrichtlinien aufgeteilt, nach Regeln, die sie imitieren oder erfunden haben. Daher koch Kelly für ihre Butch, die den Abfall nach draußen trägt. „Jill übernimmt den Abfall und das Ugeziefer … ich habe unsere Beziehung zur absoluten Priorität in meinem Leben gemacht. Ich liebe es, für sie zu kochen, sie zu umsorgen und unser Zuhause gemütlich zu machen… Der Ausdruck in ihrem Gesicht, wenn sie nach Hause kommt und das Haus nach Selbstgekochtem durftet und ich wie ein Nachtisch gekleidet bin, macht das alles wert“. Die meisten Femmes in der Anthologie The Femme Mystique sind sich aus welchem Grund auch immer darin einig, dass Butches den Abfall nach draußen tragen müssen. Theresa Carilli, eine Butch, schreibt, dass „Femmes Nuancen besondere Aufmerksamkeit schenken“. Femmes übernehmen nicht nur die meiste Hausarbeit, sondern auch die lästigste: „Femmes lieben Arbeiten, die nie zu Ende gebracht werden können. Sie ist oft am staubsaugen“ und sie „lieben es auch, abzuwaschen“. Der Titel der Anthologie, The Femme Mystique, bezieht sich auf den feministischen Klassiker von 1963, The Feminin Mystique (deutscher Titel: Der Weiblichkeitswahn) von Betty Friedan. In Friedans Buch aber werden genau die einengenden Erwartungen kritisiert, die in dieser Anthologie gelobt werden.

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Die ungleichen Machtdynamiken, die sich durch ein solches Rollenspiel entwickeln, bilden die Grundlage für eine sexuelle Wechselbeziehung, die auf Dominanz und Unterwerfung begründet ist. Wenn lesbische Feministinnen für eine gleichberechtigte Sexualität eintreten, werden sie dafür angegriffen. Liz O´Lexa attackierte Feministinnen, weil sie „keine Verantwortung für Sex übernehmen wollen … nicht an Werbung untereinander glauben … nicht daran glauben, dass eine das Sagen haben muss“. Lesbische Feministinnen stellten sich gegen die heterosexuelle Dynamik, in der Männer sexuell die Initiative übernehmen und Frauen nur die Macht haben, ja oder nein zu sagen. In der sexuellen Praktik des Rollenspiels im Sadomasochismus sind Butches stark und Femmes geben nach, wie O´Lexa es in Worte fasst: “lass mich all deine Stärke fühlen, erlaube mir, mich dir zu unterwerfen, sei die Butch für mich“.

Es ist nicht überraschend, dass die Femmes mit den traditionellen Problemen zu kämpfen haben, die mit der untergeordneten Rolle der Frauen assoziiert werden. Sue O´Sullivans Artikel (Aufsatz in Zeitschrift, 1999) zu dem Thema zeigt beispielhaft, welche Flut an Klagen der Femmes schon bald losbrechen könnte, wenn der Sadomasochismus seine Attraktion verliert. Die Probleme der Femmes, die sie anspricht, ähneln jenen der heterosexuellen Frauen der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als diese sich über die negativen Auswirkungen des ähnlich übertriebenen maskulinen/femininen Rollenspiels auf ihr Leben beklagt hatten. Sue O´Sullivan, die in Großbritannien lebt und dort ihr Coming-Out als Lesbe und dann als Femme hatte, ist nun von ihrer Wahl sehr desillusioniert. Sie erklärt, warum sie eine Femme sein wollte. Sie „verliebte sich hilflos in Butch-Lesben“ und wurde von ihrem Umfeld als Femme bezeichnet. Sie wollte aus irgendeinem Grund „gegen den Feminismus“ und „den Rest der Welt“ rebellieren. Sie liebte es, sich gut anzuziehen und Hüte zu tragen und dachte, dass es „schon richtig war“.

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Sie hatte die Regeln des Lebens als Femme aus heterosexuellen Romanzen gelernt, die sie in ihrer Kindheit gelesen hatte: „Meine Tagträume wurden von historischen Romanzen angeregt. Ich verschlang Vom Winde verweht, als ich zehn war“. Sie erkennt nun an, dass das traditionelle, heterosexuelle Rollenspiel das Modell für ihre lesbische Version gewesen ist: „Ich verweigerte mich der Erkenntnis, wie sehr meine frühen Versionen von Heterosexualität meine lesbischen Beziehungen beeinflusst hatten. Ich war allzu sicher, dass der lesbische Feminismus zu viel veränderte“. Sie fragte sich, ob sie „eine Gegensätzlichkeit“ gebraucht hatte, um sich selbst zu erlauben, für Frauen ein Begehren zu fühlen und ihr Begehren „in ein wiedererkennbares Szenario“ einzupassen. Sie deutete an, dass ihre Leben als Femme „den romantischen Vorstellungen einer älteren Generation von Frauen, einschließlich Lesben“ entsprechen könnte.

Sie sagt, dass es Zeit wird, „neu zu überdenken und persönlich zuzugeben“, dass sich hinter der Wertschätzung des Butch/Femme-Rollenspiels oft „traurige Realitäten“ verstecken. Eine dieser Realitäten ist, dass einige Femmes bereit sind, sich von Butches schikanieren zu lassen. Sie meint, dass die Entschlossenheit, lesbisches Rollenspiel als unabhängig von Heterosexualität zu sehen, es schwieriger gemacht habe, seine „Kehrseite“ zu erkennen, die schlechte Behandlung von Femmes durch Butches. In einem Workshop über das Leben als Femme, den sie geleitet hat, musste sie feststellen, dass Femmes „über herablassendes Verhalten von Butch-Lesben ihnen gegenüber sowohl im persönlichen als auch im gesellschaftlichen Leben berichteten“. Aufgrund der emotionalen Verletzungen durch zu viele romantische, aber unglückliche Butch/Femme-Liebesbeziehungen, hat sie genug vom Butch/Femme-Rollenspiel, das „sich oft als monoton, zwanghaft und langweilig vorhersehbar zeigt“. Sie hat genug von „Anzügen“ und davon, „am Arm einer Butch zu hängen“. Sie lehnt die „Vorstellung“, dass „die prahlerische Art von Butch-Lesben automatisch sexy ist“ und die „gehemmte Darstellung von lesbischer Maskulinität“ nun ab. Sie wird dadurch nicht mehr sexuell angezogen, sondern betrachtet dies nun mehr als „dumm“.

Anscheinend wird Gewalt sowohl körperlich als auch emotional mit dem lesbischen Rollenspiel assoziiert. Sally Munt, eine „Butch“, gibt zu bedenken: „Ich frage mich, wie wir verletzendes Verhalten, das als transformierende Feuerprobe gesehen wird, in Frage stellen, wie kritisch wahrnehmen können. Es gibt Gewalt zwischen Butch und Femme, die Gewalt der Differenzierung, die angeblich notwendig ist, um Begehren hervorzurufen. Butch und Femme sind kostbar, aber sie sind auch Betrug“. Feministinnen, die mit dem Problem der Gewalt gegen Frauen vertraut sind, werden nicht überrascht sein, dass die Dynamiken der Dominanz und Unterwerfung in Beziehungen in körperlicher Gewalt enden können. Das lesbische Rollenspiel macht dabei keine Ausnahme.

Lesben, die sich als Femmes verstehen, tragen Verantwortung für das Phänomen der Frau-zu-Mann-Transsexualität. Femmes helfen, Butches zu konstruieren. Sie wollen die masochistischen Wünsche befriedigen, die sie als Mädchen, die sich unterzuordnen hatten, entwickelt haben. Mädchen lernen aus einer Position von niedrigem Status zu lieben und sexuelle Gefühle zu haben. Die Erotisierung von Machtlosigkeit ist normaler Bestandteil von Femininität. Anstatt eine Änderung dieser Gefühle anzustreben, genießen Frauen wie Heather Findlay sie. Sie ist Herausgeberin des US-amerikanischen, lesbischen Magazins „Girlfriends“ und eine Femme, die zwei Geliebte hat, die die Transition zur FzM machen. Ihre Erfahrung ist Beweis dafür, wie häufig Transsexualismus in einigen Teilen der lesbischen Gemeinschaft geworden ist. Sie sagt, sie bedauert, zu einem historischen Zeitpunkt geboren worden zu sein, wo medizinische Technologien es so einfach gemacht haben, „sein Geschlecht zu ändern“. Sie sagt, sie „scherzt halbherzig“ mit FreundInnen, dass „ich gerade etwas erleben, was dabei ist, eine Berufsgefahr für Femmes im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert zu werden: Blinzle nicht, denn wenn du deine Augen wieder aufmachst, wir deine Butch ihren Ellenbogen geküsst und sich in einen Mann verwandelt haben“. Sie wünscht sich ihre Freundinnen maskulin, weil sie das sexy findet, möchte aber nicht, dass sie so weit gehen, tatsächlich zu Männern zu werden.

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Findlay übernimmt keinerlei Verantwortung für die Tragödie, die mit ihren Geliebten passiert. Stattdessen klagt sie über die Probleme, die sie bekommt, wenn eine Freundin transitioniert.

Sie wies Sue zurück, als sie John wurde, stellte aber fest, dass sie „das Coming-Out als Lesbe von vorne beginnen“ musste. Sie wurde gefragt, warum sie nicht mit ihrer Freundin zusammen sein wolle, nun da sie ein „Mann“ ist. Sie sagte: „Heute wurde ich richtig abgestoßen, weil ich dachte: Es ist wie ein Einmaleins zum Lesbianismus. Jeder will wissen, warum du nicht mit Männern zusammen sein willst. Männer, Männer, Männer. Es fällt niemandem ein, dich zu fragen, warum du Frauen liebst“. Sie sagt, sie fühlt sich „umgehauen durch die Erkenntnis, dass ich dreizehn Jahre öffentlich als Lesbe gelebt habe, ich bin sogar eine „professionelle Lesbe“, und doch habe ich auf irgendeiner tieferen (unbewussten?) Ebene heterosexuell gefickt. Lesben, die beschließen, dass sie Männer sind, zerstören damit den Lesbianismus, und damit auch die Identität ihrer Geliebten, wenn jene Geliebten sie nicht, wie Findlay, verlassen und ganz von neuem anfangen. Manche Butches gehen damit also nun ein wenig zu weit, so dass sie für ihre bewundernden Femmes nicht länger aufregend, sondern erschöpfend sind. Die realen Probleme, die der Transsexualismus mit sich bringt, scheinen den Enthusiasmus von Femmes wie Findlay noch nicht gedämpft zu haben, obwohl der Schmerz und die Not, durch die FzM gehen, nachdenklich stimmen sollten.

(Dieser Text ist aus Sheila Jeffreys Buch: Lesben in der Queer Politik: ohne Zukunft – und wurde 2011 ins Deutsche übersetzt. Der orginal US-Titel lautet: Unpacking Queer Politics. A Lesbian Feminist Perspective und ist dort 2003 erschienen.)