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MENSTRUATION IM PALÄOLITHIKUM

Die Hypothesen eines femininen „Menstruations-Kultes“ oder einer zeitlosen maskulin-phobischen Abwehr der Mensis als „Unreinheit“ sind aufgrund der urgeschichtlichen Realitäten erneut kritisch zu durchdenken:

(1) Menstruation war kein regelmäßiges Vorkommen:
Infolge der durch Laktation bedingten Ovulations-Hemmung und der mindestens vier Jahre dauernden Zwischengeburtszeiten menstruierten paläolithischen Frauen nicht regel-maßig, sondern nur drei bis vier Male in ihrem Leben.

(2) Heiligkeit des weiblichen Blutes:
Die Frauen hatten die Erfahrung gemacht: Nach der ersten Mensis, die jeder der Frauen in Erinnerung blieb, trat in der Regel alsbald die Schwangerschaft ein. Die Frauen mit ihrer angeborenen Intelligenz und ihrem Körperbewusstsein mussten daraus folgenden Schluss ziehen: Sobald die Blutung zum Stillstand kommt, und das heißt, sobald kein Blut aus der Vulva mehr austritt, sondern im Körper bleibt, verdichtet es sich dort innerhalb von 9 Monaten zu einem Kind.
Dieser Zusammenhang und die Nabelschnur führen die Menschen zur Erkenntnis, dass jedes Kind aus dem Blut der Mutter stammt. Aus dem weiblichen Blut formieren sich die Kinder, die Frau gibt ihr Blut an ihre Kinder weiter. Mehr als alles andere zeigt das Menstruationsblut, das kurzzeitig aus dem Gebärorgan austritt, die HEILIGKEIT des Blutes und begründet den weiblichen „Blutkult“.

(3) Zusammenhang von Laktation und Menstruation:
Natürlich entdecken die Frauen sofort, dass nach Beendigung der Stillzeit (also nach etwa vier Jahren) die Vulva-Blutungen erneut eintreten. Damit ist unübersehbar, dass zwischen der Beendigung des Stillens, wiederkehrender Mensis und erneuter Schwangerschaft ein Zusammenhang besteht, der als Kausal-Zusammenhang interpretiert wird.
Nachdem die Frauen diesen Zusammenhang erkannt hatten, würde eine Frau, die ihre nächste Blutung und Schwangerschaft noch etwas aufschieben möchte, so lange stillen, wie irgend möglich.

(4) Säuglings-Tod:
Die Richtigkeit der beschriebenen Erkenntnis wird den Frauen dadurch bestätigt, dass eine vorzeitige Beendigung des Stillens infolge des Todes ihres Säuglings, ein alsbaldiges Vulva-Bluten mit erneuter Schwangerschaft zur Folge hat. Die Blutung war also die sakrale Botschaft der göttlichen URMUTTER, dass sie schnell neues Leben entstehen ließ, wenn ein Säugling vor der natürlichen Entwöhnung starb. Häufig allerdings wird eine Frau, deren Kind gestorben ist, ein anderes bedürftiges Kind ihrer Lebensgemeinschaft stillen und auf diese Weise eine alsbaldige Ovulation vermeiden.

(5) Kollektive Menstruation?
Eine REGEL- mäßige Mensis ist also die ungewöhnliche Ausnahme: Nur eine Frau, die (trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehrs) nicht empfangen hatte, machte die Erfahrung, regelmäßig mit dem Mondzyklus zu menstruieren. Sie wird damit meist allein sein: Da die anderen 30 erwachsenen Frauen, die einen paläolithischen Verwandtschaftsverband bilden, unterschiedlichen Alters sind und somit zu sehr unterschiedlichen Zeiten empfangen, gebären und die Laktation einstellen, können die individuellen, alle vier Jahre eintretenden, Menstruationszyklen der einzelnen Frauen nur selten gleichzeitig vorkommen, d. h. eine gleichzeitige Wiederkehr der Menstruationszyklen ist im Paläolithikum nicht zu erwarten und ist eher ein neolithisches Geschehen, das den Wegfall der Ovulationshemmung, sowie der langen Zwischengeburtszeiten zur Voraussetzung hatte.

(6) Von der SCHEU zur ABSCHEU:
Da auch die Söhne von ihren, noch natürlich empfindenden und sexuell nicht versklavten, Müttern über das Mysterium der Geburt aufgeklärt wurden, wussten auch die erwachsenen Männer als Sexualpartner der Frauen um das seltene Geschehen der Vulva-Blutung, mit dem sie allerdings kaum konfrontiert wurden. Da die Mütter ihr Blut als „heilig“ empfanden, so war dies auch für jeden Mann seit Kindertagen etwas SAKRALES, denn sie verdankten ja diesem Frauen-Blut ihr Leben.
Ein paläolithischer Mann lebte mithin in einer Glaubenswelt, die ihn die Menstruation -wenn er überhaupt damit in Berührung kam- vielleicht als „sacer“ empfinden ließ, d. h. dies Blut, das aus der Vulva dringt, mit „heiliger Scheu“, wie ein Mysterium, zu betrachten, aber weit davon entfernt, darin etwas „Abscheuliches“, eine „Unreinheit“ der Frau zu sehen.
Ich gehe deshalb psychohistorisch davon aus, dass eine derartig absurde Definitionsmacht,  Menstruation als „Unreinheit“ abzuwerten, eine patriarchalische Paarungsfamilie voraussetzt, durchgesetzt von den um ihre Vaterschaft obsessiv besorgten „EHE“-Männern, die ängstlich ihre Frau sexuell versklaven, und die dann die urgeschichtliche „Heilige Scheu“ umdeuten zur „Ab-Scheu“.
Der geheiligte weibliche Blut-Kult muss als abstoßend gebrandmarkt werden, um den neolithischen patriarchalen Samen-Kult zur Geltung zu bringen. Wie alles Weibliche muss vor allem das weibliche Blut abgewertet werden. Damit nimmt die Hybris des patriarchalischen Denkens ihren Anfang, die noch der Apostel Paulus Jahrtausende später so formuliert: (1. Korinther 11;8)

 „Der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Manne.“

Beklemmend: Ein solcher Unsinn gilt dem Vatikan immer noch als „WORT GOTTES“.

Orginaltext von Gerhard Bott.de „Die Erfindung der Götter. Essays zur politischen Theologie. “

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