VORWORT
Die große Schwierigkeit für frauenliebende Frauen liegt darin, dass sie (im Gegensatz zu homosexuellen Männern) mit zwei, bzw. drei riesigen Dingen gleichzeitig zu kämpfen haben: A) Mit der seit ca. 6000 Jahren andauernden und immer weiter perfektionierten patriarchalen Abwertung, Verleugnung und Unterdrückung alles Weiblichen/von Frauen, und B) der Leugnung und Unterdrückung der Frauenliebe und der gleichzeitigen Erschaffung einer (männlichen und pathologisierten) homosexuellen Identität auch für Frauen. Sie werden also sowohl als Frau als auch als frauenliebende Frau geleugnet, was eng miteinander zusammenhängt. (Den Beginn einer totalen, ja TOTALITÄREN, Machtübernahme durch das Patriarchat, die eine Entmachtung und Herabwürdigung der Großen Göttin zur Voraussetzung hatte und damit den priester-königlichen Männern eine Unterdrückung und Verachtung der Frauen ermöglichte, können wir historisch auf 1.700 v. Chr. bis 1.100 v. Chr. datieren/Gerhard Bott.)

Die Dimension der Geschichtslosigkeit, Entfremdung und Leugnung von Frauen ist aber so gigantisch und so fest in den Mythen und somit in unseren Köpfen, Träumen und Vorstellungen verankert, dass dieses den meisten nicht einmal ansatzweise bewusst ist, bzw. sie nur die obersten Schichten davon wahrnehmen und/oder, wenn sie beginnen zu begreifen,  es vor Angst schnell wieder verdrängen.

In der gelebten Praxis sieht es dann oft so aus, dass ein Teil der Frauen, wenn sie nicht „hetero leben wollen, die ihnen angebotene homosexuelle Identität meistens völlig unhinterfragt an/übernehmen, weil sie darin eine Befreiung aus patriarchaler Unterdrückung und abgewertetem Frausein sehen- und weil es eben (offiziell) auch nichts anderes gibt. Die emotional Begabteren und Sensibleren spüren aber, dass mit dieser Art von „Lesbischsein/Homosein“ irgendetwas nicht stimmt, sie fühlen das Entfremdetsein, den Selbsthass, riechen den fauligen Pesthauch der Pathologisierung und den gigantischen Frauenhass, der ihnen daraus entgegenweht. (Mir haben Lesben früher beim Weggehen vor lauter Hass auf weibliche Frauen sogar ins Bier gespuckt!) Sie kriegen den totalen Horror, wollen Frau bleiben und bleiben daher beim Mann oder steigern sich in ihren Beruf hinein. Die etwas Mutigeren unter den emotional Begabten stellen sich der Szene, passen sich ihr aber nicht vollständig an, sondern begeben sich auf die Suche nach „Gleichgesinnten“, d. h. nach Frauen, die sich als frauenliebend sehen aber weder die homosexuelle Identität angenommen haben, noch sich (mit Freund als Priorität) als „bi“ sehen. Meistens (zumindest in Deutschland) bleibt aber ihre Suche erfolglos.

Wo sind die weiblichen/femininen Frauen, die auch Frauen lieben? Und: ich bin wohl die Untergruppe der Untergruppe, war zumindest meine Frage, die ich mir lange Zeit endlos stellte und mein Fazit, zudem ich schließlich gekommen war. Untergruppe der Untergruppe. Totale Isolation.

Durch viel praktische und teilweise schmerzliche Erfahrung mit anderen Frauen (es bei ihnen „probiere“, auch wenn sie sich nicht als lesbisch sehen), ehrlichen Austausch mit Freundinnen und viel lesen bin ich schließlich zu der Erkenntnis gelangt, dass (wie hier schon mehrmals erwähnt) es so etwas wie eine homosexuelle Identität für Frauen eigentlich nicht gibt, und dass- wenn man begreifen will, wie die homosexuelle Identität (für Frauen) und die Leugnung/Abwertung/Kulturlosigkeit von Frauen miteinander zusammenhängen- sich ganz an die Anfänge der Mythen und der menschlichen Geschichte begeben muss. Und Gerhard Botts „Die Erfindung der Götter. Essays zur politischen Theologie“ halte ich persönlich für das ausführlichste und beste Buch, das zu dem Thema gerade auf dem Markt ist. Zugegeben es erfordert sehr viel Enthusiasmus und Geduld sich durch die nicht gerade einfachen 600 Seiten Buch und ungefähr genauso viel Nachträgen auf seiner Internetseite zu lesen, aber es lohnt sich:

Bott beginnt beim bio-sozialen Verhalte der Paniden (Bonobos), die als direkte Vorfahren der Menschen gelten, dröselt Begriffe wie Blutsfamilie/Paarungsfamilie, Exogamie/Endogamie, Matrilokalität/Patrilokalität, Unilinearität/Bilinealität sowie Matriarchat; Mutterrecht, Matrifokalität und Matronat auseinander. Er beschreibt die ca. 200 000 Jahre (!) währende Periode der sogenannten Wildbeuter (Jäger und Sammler), wo die Vorstellung von Vaterschaft noch nicht in die Welt gekommen war, es gab nur die Mutter aus deren Blut die Kinder entstanden (daher Blutsfamilie, nur Nachkommen der Mutter gehörten zur Familie) und das „religiöse“ Pendant war die Große Mutter, die alles Lebendige (Pflanzen, Tiere, Menschen) aus ihrem Leib erschuf. Erst mit der Domestikation und Zucht (!) von Rindern kam langsam die Idee auf, dass auch der Mann/Vater Anteil an der Kindszeugung hat (ohne einen Stier in der Herde bekommen die Kühe keine Kälbchen). Religiös/kultisch setzte er sich daraufhin  zunächst als Stier der Großen Göttin, dann als ihr Sohn, kleiner Fruchtbarkeitsgott, und durch die Heiligung der Sexualität (heilige Hochzeit/Ehe) als ihr Mann. Nach und nach wurde die Frau dann von patriarchalen Priestern völlig aus den Gottes- und Fruchtbarkeitsvorstellung getilgt, bis der Mann sich als einziger homosexuell-geistiger Erzeuger inszenierte. GottVater, Sohn, Heiliger Geist und Maria- ehemals die Große Göttin-nur noch eine Hülle für den Heiland- samt pathologischer Verachtung/Hass auf alles Weibliche, der u. a. in der Hexenverbrennung oder in der Genital-Verstümmellung der Frauen kulminierte.

Aber die Zustände im Himmel spiegelten nur die auf der Erde wieder, denn durch die Rinderherden war der Mann nun zum Haupnahrungsbeschaffer geworden und hatte dadurch die Macht nach und nach die Blutsfamilie und ihr Gesamthandeigentum aufzulösen und sich eine eigene Paarungsfamilie samt Privateigentum, zu schaffen, d. h. (um seine Vaterschaft zu sichern) die Frau auf seinem Hof in der Ehe zu isolieren. Damit war für die Frau endgültig die Zeit der bis dahin geltenden „female choice“ vorbei und ihre Sexualität unwiederbringlich mit Geld und materieller/existenzieller Sicherheit (für sie und ihre Kinder) verknüpft. Sie war zur Dienerin des Mannes geworden.

Auf diesem Blog kann ich Themengebiete natürlich nur anschneiden und evtl. zum vertiefenden Weiterlesen anregen und dazu dienen auch die zwei Essays von Gerhard Bott, die ich hier nachfolgend draufgestellt habe. Aber ich denke, dass (vor allem im Ersten) er viele Dinge aus seinem Buch ganz gut zusammengefasst hat und sie somit zum weiteren Verständnis beitragen können. Und trotz dass gleichgeschlechtliche Liebe eigentlich nicht sein Thema ist, (siehe Vorbemerkung!) habe ich für mich drei wesentliche Erkenntnisse erlangt:

(1) Frauen/Lesben, die für sich die homosexuelle Identität angenommen haben beteiligen sich am patriarchalen-symbolischen Muttermord, leugnen die Existenz von Frauen, sehen den Mann als bluprint des Menschen an, als ER-schaffter der Welt, identifizieren sich mit ihm und haben den Frauenhass und die Abwertung völlig verinnerlicht. Homosexuelle Lesben, die sich von der patriarchal versklavten Weiblichkeit befreien wollten sind in eine zweite Falle getappt und zu Höllenhunden, Zerberussen des Patriarchats geworden, die verhindern, dass Frauen hinter die Fassaden blicken. Sie sind Gefängniswärterinnen des Patriarchats.

(2) Liebe unter Frauen ist sowohl Natur-Biologie (siehe Bonobos) und auch Kultur, d. h. wie aus der Sexualität als ursprünglich instinktive Notdurft durch das Wahlrecht der Frau Liebe wurde- so kann man sich diese Entwicklung auch für die Frauenliebe vorstellen, die von den homosexuellen Bündnissen von Bonobo-Weibchen abstammt. Diese Kultur ist aber, durch das Jahrtausendelange Eingesperrtsein der Frau in der Ehe zur Sicherung der Vaterschaft, noch ganz am Anfang…

(3) Die Taktik mit der Frauen oft abgeschreckt werden sich tiefer mit feministischen Theorien zu beschäftigen oder sich mit anderen Frauen zusammenzutun ist die, dass sie dann des Lesbischseins verdächtig werden, denn „normale“ Frauen habe „so etwas“ doch gar nicht nötig. Stimmt und stimmt nicht. Denn nur wenn man an den Gleichheitsfeminismus (der Mensch ist der Mann, und wenn Frauen Menschen werden wollen, müssen sie wie Männer werden) glaubt, führt das zu einer Homo-Identität. Wenn man sich als Frau aber mehr am Differenzfeminismus orientiert, führt es eher zu den Bonobos ;) D. h. Wenn Frauen versuchen als Frauen bewusst zu werden, ihre Unterdrückung und Kulturlosigkeit zu begreifen und sich dann mit anderen Frauen zusammentun, werden sie ganz oft „lesbisch“, da sie dann frei werden und frei sein heißt in der Sexualität und Liebe „female choice“- und die Wahl der Frauen fällt dann ganz oft primär auf andere Frauen. Also ist die Befürchtung, dass wenn Frauen sich für Feminismus interessieren sie lesbisch werden würden, durchaus berechtigt.

REFLEXIONEN ZUR FRUCHTBARKEITS-SYMBOLIK UND ZUR KULTURELLEN ENTWICKLUNG DES MENSCHLICHEN SEXUALVERHALTENS

Vorbemerkung Gerhard Bott: Ich behandle in diesem Aufsatz nur die Heterosexualität, obwohl bei unseren nächsten animalischen Verwandten auch homosexuelles Verhalten zu beobachten ist und, insbesondere beim pan paniscus (z.B. Bonobos), weibliche Homosexualität offenbar zu einer starken Bündnisfähigkeit der weiblichen Tiere unter einander führt. Mein wissenschaftliches Interesse an Homosexualität ist deshalb gering, weil ich ein Mann bin, der Frauen liebt… Ich überlasse es deshalb anderen, die kulturelle Entwicklung von Homosexualität historisch aufzuarbeiten.

A. Das animalische Erbe: Von gedankenloser Sexualität zum Wissen

I. Sexualität als Notdurft
1)
Jedes Tier ist ein Sexualwesen, aber es nimmt sich selbst nicht in seiner Sexualität wahr, verrichtet es als Notdurft und macht sich darüber keine Gedanken. Dies gilt auch für unsere engsten animalischen Gen-Verwandten, die Paniden. Von ihrer soziobiologischen Selbstorganisation her sind die grazilen Schimpansen, pan paniscus, als animalische Referenz heranzuziehen, weil sie, wie die homo sapiens-Populationen auch, sich in größeren Verwandtschaftsgruppen , von 40 bis 70 Individuen, die homines sapientes sogar bis zu 120 Individuen organisieren. (vgl. Kapitel 1 meines Buches).

2) Zwischen dem pan paniscus und dem homo sapiens hat sich nach evolutions-biologischen Erkenntnissen ein bemerkenswerter Unterschied im Sexualverhalten entwickelt: Pan Paniscus ist gekennzeichnet durch das sogen.“ Multi-male-breedingsystem“, d. h. naturwissenschaftlich: Eine weibliche Bonobo kopuliert während ein und derselben Ovulations-Periode , wenn auch nicht völlig wahllos mit allen, so doch mit sehr vielen männlichen Bonobos ihrer Lebensgemeinschaft und daneben auch noch außerhalb derselben, und zwar mehrmals täglich, ja fast stündlich während des Tages. Die Regel ist: „Many males instead of ‚best‘ male „.Allerdings gibt es auch schon bei den Bonobos eine genetisch verankerte Inzest-Aversion: Mütter kopulieren nicht mit ihren Söhnen, Schwestern nicht mit ihren matrilinearen Brüdern; sie lehnen deren Avancen ab. Ein solch hyperaktives Sexualverhalten ist offenbar selektiert worden, weil die hohe Sexualfrequenz zum einen den sozialen Zusammenhalt der Gruppe stärkt , und dadurch einen Überlebensvorteil mit sich bringt, zum anderen die männlichen Tiere abhält vom Infantizid, wie wir ihn beim Gorilla antreffen, bei denen ein herangewachsener Silverback , der den „Harem“ des von ihm getöteten Vorgängers übernimmt, auch alle Säuglinge jener polygynen Paarungsfamilie tötet. Durch das dadurch herbeigeführte Ende der Laktation ovulieren die weiblichen Tiere sogleich wieder, und der neue Chef kann seine Gene fortpflanzen. Bei den mit uns weniger nah verwandten Gorilla, die ja , im Gegensatz zu den Paniden in sehr kleinen Paarungsfamilien leben, hatte sich das „Single-malebreeding-system“ durchgesetzt, und zwar in der Weise, dass eine geringe Zahl weiblicher Tiere in vollständiger sexueller Monogamie leben, die vom polygynen Silverback mit Gewalt erzwungen wird. Der Silverback hat die doppelte Körpergröße seiner „Frauen“; der sexuelle Dimorphismus ist also stark ausgeprägt.

3) Die Evolutionsbiologie geht heute davon aus, dass die urgeschichtlichen homo sapiens-Populationen das Paniden-Erbe des „Multimale-breedingsystem“ nicht übernommen haben, sondern dass ein Wechsel zu einem „Single-male-breeding-system“ sich im Verhalten durchgesetzt hat, wenn auch nicht, und das möchte ich besonders hervorheben, in gleicher Weise wie beim Gorilla. Die Biologie zieht diesen Schluss aus einem Vergleich ( Relation zum Körpergewicht) der vorgefundenen relativen Hodengrößen beim homo sapiens, den Paniden und Gorilla. Einem solchen Vergleich liegt folgender Denkansatz zugrunde: Je häufiger sich ein Mann sexuell als potent erweisen muss, um, der Konkurrenz gegenüber, seine Gene zur Fortpflanzung zu bringen, desto geringer werden die Vererbungschancen solcher Männer, deren Gonaden nicht ausreichend Spermien produzieren. Selektiert werden mithin große Hoden.

4) Da der Gorilla-Silverback mit seinen wenigen Sexualpartnerinnen deren Zwangs-Monogamie und seiner Monopolstellung wegen keine Konkurrenz zu befürchten hat, lastet auf ihm kein Selektionsdruck, d.h. trotz seiner -mangels Konkurrenten- relativen sexuellen Trägheit kann er seine Gene fortpflanzen. Das ist der Grund, dass er -relativ- die kleinsten Hoden der drei Vergleichsgruppen hat. Aus dem biologischen Befund, dass die Hodengröße des homo sapiens- Mannes mehr als das Dreifache des Silverback beträgt, muss der Schluss gezogen werden: Um seine Gene zur Fortpflanzung zu bringen, musste der homo sapiens ein Vielfaches an sexueller Aktivität leisten und zu einer dieser Aktivität entsprechenden Samenproduktion fähig sein. Dies , im Vergleich zum Gorilla, super-aktive Sexualverhalten, führte somit zur Selektion großer Hoden, eine genetische Veranlagung, die jeweils an die männlichen Nachkommen weiter gegeben wurde. Sexuell träge Männer mit kleinen Hoden, die ihre sexuelle Aktivität in ähnlicher Weise eingeschränkt hatten, wie der Gorilla, starben aus. Der Silverback hat etwa die doppelte Körpergröße der weiblichen Tiere. Damit weist der Gorilla von den Vergleichsgruppen den weitaus größten „sexuellen Dimorphismus“ auf, der bei den Paniden und beim homo sapiens sehr viel geringer ist. Wir sind folglich mit der naturwissenschaftlichen Erkenntnis konfrontiert, dass wir für die urgeschichtlichen homo-sapiens-Populationen, im Vergleich zum sexuell recht trägen Harems- Chef und Pascha Gorilla, ein super-aktives Sexualverhalten annehmen müssen, und dies gilt natürlich nicht nur für die Männer, sondern auch für die Frauen; denn Polygynie, d. h. dass ein „Alpha“-Mann andere Männer hätte sexuell ausschließen und für sich selbst mehrere Frauen hätte monopolisieren können, kann wegen der „female choice“, sowie wegen des geringen Sexualdimorphismus und auch der Gruppengröße wegen ausgeschlossen werden, sowie auch aus Gründen der sozialen Organisation, wie ich andernorts ausgeführt habe. (vgl. * insbesondere im 2. Halbband Essays 4; 4a; 6b).

5) Andererseits lassen uns die biologischen Befunde aber auch erkennen, dass die homo sapiens-Populationen nicht eine solche Sexualfrequenz erreichten, wie unsere genetisch engsten animalischen Verwandten, die hyper-sexuellen Paniden, besonders die pan paniscus . Die Bonobos sind verglichen mit uns sexuell hyper-aktiv: Wie die homo sapiens kopulieren auch sie das ganze Jahr hindurch, aber dies nicht nur täglich, sondern viele Male am Tage, manche fast stündlich. Kein Wunder also, dass bei ihnen nur Männer mit noch größeren Hoden, als bei uns, selektiert wurden: Die relative Hodengröße der Paniden beträgt im Vergleich zu uns das Vierfache. Dieser Befund lässt uns erkennen: Der homo sapiens-Mann liegt ziemlich genau zwischen Gorilla und Bonobo, ist von beiden etwa gleich weit entfernt.

6) Evolutionsbiologen ziehen , sofern sie nicht ideologisch voreingenommen sind und an einer Denkhemmung leiden, wie die Angehörigen der Urvatergemeinde, aus diesem Befund folgenden Schluss: Da der sexuelle Wettbewerb bei den homines sapientes nicht die exzessiven Ausmaße angenommen hatte, wie bei den Bonobos, spricht vieles für die Annahme, dass die homines sapientes nicht das multi-male-breeding-system, mit nahezu stündlichen Kopulationen, von seinen genetisch nächsten Verwandten übernommen hat, sondern, dass sich bei den sapientes ein -wenn auch kurzlebiges – single-male-breeding-system durchgesetzt habe. Hier lege ich besonderen Wert auf die Hervorhebung, dass für kritische, unideologische, Evolutionsbiologen diese Annahme nur bedeutet: Eine sapiens-Frau kopulierte während ein und derselben Ovulationsperiode (d. h. 14 Tage lang) ausschließlich mit EINEM männlichen Sexualpartner. ( vgl. hierzu insbesondere meinen Essay 4, S.238 ff.)
Auf unsere heutige Zeit bezogen, heißt das: Eine Frau konnte ihrem, ohne Zwang frei ausgewählten Liebhaber sogar während der Dauer der Ovulation, d. h. mindestens 14 Tage lang , „die sexuelle Treue halten“; ich denke, in manchen Beziehungen auch länger. Es bedeutet hingegen nicht, dass jenes „single-male-breeding-system“ des homo sapiens auch nur entfernt vergleichbar wäre, mit dem der Gorilla, wie es sich die Monogamisten der Urvatergemeinde wünschen und , mit völlig untauglichen Argumenten, als wissenschaftlich gesichert hinzustellen versuchen. (vgl. u.a. * meine Essays 4a und 6b). Schon die Tatsache, dass die Hodengröße der sapiens-Männer jene der Gorilla um mehr als das Dreifache übertrifft, lässt ja keinen Zweifel daran, dass die beiden Formen jenes „single-male“-Systems sehr unterschiedlich praktiziert worden sind: Der Unterschied im Sexual-Verhalten ist soziobiologisch leicht zu erklären: Während der polygyne Silverback in seiner kleinen Paarungsfamilie seine wenigen Frauen durch Gewalt (sexueller Dimorphismus) zur „Monogamie“ zwingen konnte, war dies in den sehr viel größeren Lebensgemeinschaften der Menschen genau so wenig möglich, wie bei den Paniden. Die soziobiolgisch gegebene „female choice“ ihres Sexualpartners und die solidarische Abwehr unerwünschter männlicher Kopulationsversuche durch die zahlenmäßig große Frauengruppe verbunden mit einem sehr geringen sexuellen Dimorphismus machte es den Männern unmöglich, Frauen zu einem sexuell monogamen Verhalten zu zwingen. (vgl hierzu *meinen Essay 4a, S.273). Wir müssen also nach einer Erklärung dafür suchen, aus welchen Gründen oder Motiven eine sapiens-Frau ihr Sexualverhalten änderte, und sich von ihrer phylogenetisch ererbten „Affengeilheit“ nicht mehr dazu treiben liess, sich nahezu wahllos , wie die Panidenweibchen zu paaren, sondern ihre Freiheit der sexuellen Wahl sehr viel wählerischer ausübte?

II. Das sexuelle Wahlrecht der sapiens-Frau – Erotisierung
Der naturwissenschaftliche Ausgangspunkt ist: Sobald eine sapiens-Frau sich einen männlichen Sexualpartner gewählt hatte, verzichtete sie mindestens während einer Ovulationsperiode , auf die Wahl eines anderen Partners; d. h. sie schenkte ihre Gunst einem einmal gewählten Partner mindesten 2 Wochen lang. Wenn dieses zuvor beschriebene „single-male-breeding-system“ von manchen Biologen als „Monogamie“ bezeichnet wird, so finde ich das äußerst befremdlich und unglücklich , weil dies Ideologieverdacht hervorruft. (vgl. * meinen Essay 4 , S. 238).

1) Zunächst ist daran zu erinnern, dass in den urgeschichtlichen, wildbeuterischen Wirtschaftsgenossenschaften unter den Männern des Jägerkollektivs völlige ökonomische Gleichheit gegeben war; es gab in einer Gemeinschaft von Großwildjägern nicht „den erfolgreichen Jäger“, wie manche Anthropologen annehmen, denen es an sozio-historischen Kenntnissen fehlt. (vgl. hierzu in diesem Blog meine Glosse „Sex für Beute“) . Ferner: Die Selbst-Organisation der urgeschichtlichen Sozialverbände war von der Art, dass es keine ökonomische oder sonstige soziale Abhängigkeit der Frauen von den Männern ihrer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gab, die die weibliche Wahlfreiheit, d. h. das uneingeschränkte Recht der Frau über ihre Sexualität, nach Belieben zu verfügen, in irgendeiner Weise hätte einschränken können. Keine Frau suchte einen „Versorger“ , weil sie nicht nur „Selbst- Versorgerin“ war , sondern es ist das Sammlerinnen-Kollektiv der Frauen, das fast Dreiviertel der Gesamtnahrung der Gruppe herbeischafft. Die Frauen können also sich und ihre Kinder bestens allein versorgen und werden daher durch nichts eingeschränkt, in ihrem Sexualverhalten allein dem Lustprinzip zu folgen.
Was also war es, das die animalische „Affengeilheit“ durch ein neues weibliches Lustprinzip ersetzte? Mir erscheint folgende Erklärung dafür plausibel und ausreichend: Die hohe Intelligenz der homines sapientes im Vergleich zu den Australopithecinen bringt psychologisch eine ganz andere und völlig neue Einstellung zur Sexualität mit sich: Die sapiens-Frau, die ja ein Wissen um ihre Sexualität gewonnen hat, folgt ihrem Geschlechtstrieb nicht mehr geist- , gedanken-, phantasie- und scham-los, sondern erfährt und erlebt an sich selbst eine Differenzierung ihres Begehrens und ihrer Empfindungen. Sie ist damit gewillt und fähig, ihren Geschlechtstrieb in der Weise zu kultivieren, dass sie Erotik “ ins Spiel bringt. Das sexuelle Verhalten wird dadurch wesentlich von Erotik mit bestimmt. Die Frau entwickelt Vorlieben für bestimmte Männer oder, zeitlich begrenzt, für einen bestimmten Mann, wobei neben den animalischen Instinkten, wie Geruch, die Attraktion durch Pheromone (Ektohormone) u.ä. , subtile erotische Attraktionen ihre Wahl immer stärker bestimmen. Sie wird also jeweils nur demjenigen unter den 30 erwachsenen , exogamen Männern ihrer Wirtschaftsgenossenschaft ( oder ihres größeren, endogamen, Stammes) „schöne Augen machen „, in den sie sich gerade verliebt hat.Durch die Entdeckung der Erotik kommt eben nicht jeder der exogamen Männer für sie infrage. Durch ihr wählerisches Verhalten schränkt die Frau zwar die Zahl ihrer möglichen Sexualpartner ein, sie gewinnt aber etwas Neues, etwas psychologisch Erregendes: Das wissende Spiel mit ihrer Sexualität schafft einen erotischen Lustgewinn , weil es die Sexualität überhöht und zu mehr macht, als zur gedankenlosen Notdurft. Zu dieser Erotik, deren Erfinderin die Frau ist, gehört auch, mit den eigenen „Reizen zu geizen“ , wie man heute sagt, um so auf diese besondere Aufmerksamkeit zu lenken, und weil Scham , (natürlich ohne Schuldgefühle) die Besonderheit ihrer Sexualität hervorhebt. Dennoch ist zu bedenken, dass die Natur die Frauen mit einem äußerst starken Geschlechtstrieb ausgestattet hat. Wenn wir die Hodengröße zugrunde legen, müssen wir ja für Männer, wie für Frauen ein Viertel der Sexualfrequenz der Bonobos annehmen, die viele Male täglich mit wechselnden Partnern kopulieren. Zu bedenken ist ferner: Die paläolithischen Sexualpartner waren jung, in den besten Jahren, denn die meisten starben mit 30 Jahren. Nach den naturwissenschaftlichen Befunden können wir für die paläolithischen Menschen das ganze Jahr hindurch zwei Kopulationen täglich als normal ansehen.

2) Die relative Hodengröße des Mannes liefert uns den naturwissenschaftlichen Beweis dafür, dass er infolge des starken weiblichen Begehrens genetisch unter einem sehr viel stärkeren Bewährungsdruck stand, als der relativ träge Gorilla mit seinen sieben „Haremsdamen“. Schon dieser Befund erledigt alle patriarchal-theologischen Versuche de Urvatergemeinde, der Frau „von Natur aus“ ein sexuell monogames Verhalten anzudichten. Das Gegenteil erweist sich als richtig: Auch wenn die Verliebtheit der wahlberechtigten Frau in der Regel mindestens eine Ovulationsperiode d. h. zwei Wochen, andauerte, so erwies sich wohl oft ihr „Erst-Erwählter“ dann doch nicht als der Richtige, weil er ihren erotischen Erwartungen nicht entsprochen hatte, ihren sexuellen Bedürfnissen nicht genügte. Die auffallende Hodengröße beweist, dass die Frauen viele Männer sexuell erprobten, bis sie denjenigen gefunden hatten, mit dem sie das größte erotische Vergnügen und die höchste sexuelle Lust erleben konnten, und dem sie deshalb ihre Gunst über einen längeren Zeitraum schenkten. Deshalb dauerten viele Sexualpartnerschaften nur kurze Zeit und wurden von der Frau alsbald abgebrochen. Ein Befund, der viele Männer das Fürchten lehrt und der deshalb in der wissenschaftlichen Literatur nahezu immer verschwiegen wird. (Ein typisches Beispiel beschreibe ich im *Essay 4a , S. 273 ff.). Später, in der patriarchalen Gesellschaft, werden dann erotisch und sexuell minderbegabte Männer ihr eigenes Versagen der Frau als Frigidität anlasten.

3) Eine Sexualbeziehung, die beiden Partnern Lustgewinn garantiert, wird dazu führen, dass Verliebtheit und Leidenschaft auch länger als zwei Wochen andauern können , und zwar so lange, wie der erotische und sexuelle Reiz erhalten bleibt. Aber auch hier weist uns die Evolutionsbiologie auf eine Grenze hin: Jede Frau, die sich, völlig freiwillig, für längere Zeit ausschließlich an einen Sexualpartner band, spürte spätestens nach Ablauf von drei Jahren , nämlich vor ihrer nächsten Ovulation (nach Laktationsende) instinktiv einen starken Trieb, ihren bisherigen Sexualpartner zu wechseln, z. B. weil der Geruch, das Aussehen, die Bewegungen beim Laufen oder Tanzen, die Musikalität, die Art sich sprachlich auszudrücken oder die Intelligenz eines anderen Mannes sexuell so stimulierend auf sie wirkten, dass sie das Interesse an ihrem bisherigen Liebhaber verlor. Das Bemerkenswerte ist, dass ein solches weibliches Bedürfnis nach Partnerwechsel evolutionsbiologisch selektiert worden war, weil die weibliche Lust auf Partnerwechsel äußerst vorteilhaft für die Gene ist. Populationen, in denen Frauen ihre vier Kinder jeweils von demselben Erzeuger empfangen hatten, wiesen eine geringere immunologische Widerstandsfähigkeit auf und verringerten so ihre Überlebens- und Reproduktions-Chancen. Selektiert wurde deshalb ein Verhalten, bei dem eine Frau jedes ihrer 4 Kinder von einem anderen Erzeuger empfing. (vgl. im einzelnen *Essay 4, S. 272). Durch eine Studie von Simone Sommer et al. vom Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung, veröffentlicht in „Evolutionary Biology“ (Sept. 2007) , wird von den Forschern nachgewiesen, dass selbst bei den Madagaskar- Lemuren MAKI, die in „elterlicher“ Sozialpartnerschaft gemeinsam die Jungen aufziehen , fast die Hälfte der Nachkommen einer Lemurin von anderen Sexualpartnern abstammen. Die Wissenschaftler halten diese „promiske“ Sexualwahl der weiblichen Tiere für einen Selektionsvorteil, weil die Untersuchungen erwiesen, dass vorzugsweise „heterozygote“ Sexualpartner auf die Weibchen eine besondere Anziehungskraft hatten, was zu einer Stärkung des Immunsystems der Abkömmlinge führt und somit den Selektionsvorteil begründet. Eine Studie von Kristina M. Durante (Universität Taxas), veröffentlicht in „Biology Letters“ der British Royal Society, (Januar 2009) , belegt zusätzlich, dass homo sapiens-Frauen um den Zeitpunkt der Ovulation herum einen besonders hohen Hormonspiegel von ÖSTRADIOL aufweisen , und dass dies zu einer signifikant höheren Sexualfrequenz und Neigung zur „sexuellen Untreue“ führt. Selbst die „treuesten Frauen“ (so würde man heute sagen), die tatsächlich eine ausschließliche Sexualpartnerschaft mit einem Mann über zwei Jahre lang gepflegt hätten, würden also nach Ablauf von drei bis vier Jahren, dem Ende der Laktation, von innerer Unruhe ergriffen und spätesten dann beginnen, auf ihrer Suche nach einer erneuten Bindung, mehrere Männer zu erproben. Bei dieser erneuten Suche müssen die Männer wiederum ihre Qualitäten als Liebhaber erweisen; denn die Konkurrenz ist groß und schläft nicht.

4) Diese sequenziellen Partnerwechsel führten also zu einer so regen sexuellen Aktivität der Frauen, dass es unangebracht ist, hier nur von „Seitensprüngen“ zu reden, wie es manche Autoren -einschränkend- und patriarchaleuphemistisch formulieren. Die Hodengröße lässt keinen Zweifel daran: Die Frauen waren , um es so zu sagen, immer auf dem Sprung. Partnerwechsel war in einer Lebensgemeinschaft von 60 geschlechtsreifen Erwachsenen an der Tagesordnung, weil ja keiner der Partner dem anderen dafür Rechenschaft zu geben hatte, außer Liebesentzug waren schließlich keinerlei Nachteile zu befürchten.

5) Natürlich gab es für die urgeschichtlichen homines sapientes auch psychische Probleme: Sexualneid ist ja natürlich. Die zur Wahl berechtigte Frau, die vielleicht auf die erotischen Qualitäten ihres Sexualpartners mehr Wert legte als ein Mann , war ja nicht sicher, dass der von ihr als Liebhaber begehrte Mann auf ihre Wünsche einging. Die ca. 30 an Sexualität interessierten Frauen einer Lebensgemeinschaft  (einige vielleicht auch schon vor ihrer ersten Mensis), standen also mit einander in erotischem Wettbewerb, genau so , wie die Männer unter einander auch. Die Frauen bemühten sich, dem Mann zu gefallen, dem sie ihre Gunst schenken wollten, die Männer taten alles, um von der Frau erwählt zu werden, die sie am stärksten anzog. Die Männer mussten lernen, abgewiesen zu werden, wie die Frauen auch. Zu berücksichtigen ist aber, dass bei den lockeren und häufig wechselnden Sexualbeziehungen die Wahrscheinlichkeit zunahm, dass jede und jeder irgendwann einen heiß begehrten Sexualpartner, wenn auch nur kurzfristig, für sich gewinnen konnte. Dies erwies sich zugleich als ein starkes soziales Bindemittel, förderte den Zusammenhalt der Gruppe, was die Überlebenschancen positiv beeinflusste. Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften, deren Angehörige durch Sexualbeziehungen, die nur durch Liebe motiviert sind, vielfältig mit einander verbunden sind, gewinnen einen Selektionsvorteil.

6) Alle Annahmen und Thesen, es habe schon in der Urgeschichte sexuelle Einschränkungen irgendwelcher Art gegeben, die immer wieder von patriarchalischer Seite vorgebracht werden, erweisen sich also als naturwissenschaftlich unhaltbar. Es handelt sich um ideologisch motiviertes Wunschdenken. Am unsinnigsten ist die Annahme, die Frauen hätten die Männer zur sexuellen Askese gezwungen, um der Gefahr eines zu starken Bevölkerungszuwachses zu begegnen. (so im Spiegel, vgl. dazu meinen Essay 18c , S. 381 ff.). Der Urgeschichtler Svend Hansen, der mit einer solchen These aufwartet, begeht gleich zwei grobe Denkfehler: Zum einen: Die Hodengröße des Mannes beweist eindeutig das Gegenteil: Von Askese kann keine Rede sein. Zum zweiten: Wegen der langen Zwischengeburtszeiten , gab es nur wenige Geburten, die noch durch Kindersterblichkeit auf durchschnittlich zwei Kinder pro Frau zurückgingen, wie die moderne Paläodemographie nachgewiesen hat. Der „Urgeschichtler“ Svend Hansen offenbart also, dass er über die Urgeschichte nicht Bescheid weiß. Auch die Annahme, freie Sexualität wäre dadurch eingeschränkt worden, weil ein Mann sich nur dann auf eine lang andauernde ausschließliche Sexualbeziehung mit einer Frau eingelassen hätte, , wenn er durch weibliche Treue sicher sein konnte , ein „väterliches Investment“ zu erbringen, wie es der Evolutionsbiologe Thomas Junker unter Berufung auf Robert Trivers annimmt, ist nicht haltbar. (vgl. dazu in diesem Blog: „Robert Trivers vergebliche Suche nach dem Urvater“. ) Erstens: Es gab eben keine lang andauernden ausschließlichen Sexualbeziehungen; denn sie waren weder im Interesse der Frauen, noch der Männer. Zweitens: Dass ein Mann durchaus bereit ist, sich auch dann sexuell etwas länger an eine Frau zu binden, wenn er kein „väterliches Investment“ erbringt, zeigen ja die Mosuo. Drittens: Wie hätte es zu der Dreifachen Hodengröße des homo sapiens kommen können, wenn es ihm möglich gewesen wäre, die Sexualität einer Frau in gorilla-artiger Weise einzuschränken?

7) Noch einem anderen, weit verbreiteten, Irrtum gilt es entgegen zu treten: Dass die urgeschichtlichen Menschen, weil sie ihre Sexualität wissend wahrnahmen, „selbstverständlich“ auch die Notwendigkeit des Sexualaktes für die Schwangerschaft erkannt haben müssten, ist nicht mehr als eine wenig plausible Vermutung: Da sie , wegen der vierjährigen Zwischengeburtszeiten mit Sicherheit wussten, dass der Sexualakt keine hinreichende Voraussetzung für Schwangerschaft ist, war es überaus schwierig, auf den Gedanken zu kommen, dass er dennoch eine notwendige Voraussetzung war. Die Vermutung, der Zusammenhang sei „selbstverständlich“ auch dem urgeschichtlichen Menschen bekannt gewesen, beruht nämlich allein auf einem äußerst anfechtbaren Komparatismus. Da unsere heutige Kenntnis auch die „primitivsten“ Naturvölker erreicht hat, wird dies „einfach“ und unbedacht auf die Urgeschichte übertragen. Eine solche Methode ist wissenschaftlich unhaltbar. Das zeigen uns nicht nur die von Malinowski beschriebenen Trobriander, denen der Zusammenhang zwischen Sexualität und Zeugung völlig unbekannt war, sondern auch eine Vielzahl anderer Belege. (vgl. u.a. Kapitel IX meines Buches*.) Wie also können oder müssen wir uns unter den gegebenen sozio-biologischen oder bio-soziologischen Umständen, die sexuelle Kultur der urgeschichtlichen Menschen des Paläolithikums vorstellen?

B. Das Verhältnis von Vulva und Phallus im historischen Wandel

I. Der Phallus als Sexualorgan und gefälliger Diener der Vulva im Paläolithikum
1)
Die Prominenz der Vulva in den ältesten urgeschichtlichen anthropomorphen Artefakten, wie dies schon bei der sogen. „Venus vom Hohlen Fels“ vor 40.000 Jahren in Erscheinung tritt, sowie in den Höhlenzeichnungen als Symbol der „Pudenda“, des Scham- oder Schoß-Dreiecks, sowie die totale Abwesenheit des Phallus als Sexual- und vor allem als Fruchtbarkeits-Symbol zeigen deutlich: Es gab einen Vulva-Kult, wie er noch im Hinduismus als tantrischer Kult der YONI (dann bereits bilinear mit dem Lingam) nachwirkte (vgl. in diesen Blog auch die Glosse: „Wo ist der Phallus des Urvaters?“) Die Frauen  die als Gemeinschaft von Sammlerinnen im Vergleich mit dem Ernährungsbeitrag des Jägerkollektivs ein erhebliches ökonomisches Übergewicht hatten, erschienen zudem allen als die „Auserwählten“ der „Göttin allen Lebens und des Todes“: Sie repräsentierten das Mysterium der Geburt als Trägerinnen einer imaginierten unilinearen Fertilität

2) Wenn also, wie die Artefakte zeigen, die Vulva als das Tor des Mutterleibes und der Geburt im Bewusstsein der paläolithischen Menschen zu einem sakralen Symbol aufgewertet wird, und zwar so, dass auch die göttliche „Große Mutter“ mit exponierter Vulva dargestellt wird, können wir uns vorstellen, welche Auswirkungen dies für die Sexualbeziehungen zwischen Frau und Mann´hatte. Für den Mann bedeutete es, dass die Frau ihm das „Allerheiligste“ öffnete, aus dem alles Leben kam, auch er selbst. Auch die Frauen, die derartige Artefakte von Göttinnen schufen, waren sich natürlich der Sakralität ihres Geschlechts bewusst. Zudem betrachteten sie sich selbst nicht als Objekt, sondern als Subjekt, dem das Recht der freien Wahl ihres Partners zusteht. Beide Sexualpartner lebten mithin in einer bemerkenswerten Vorstellungswelt: Der Mann, der aus Freude an seiner eigenen Körperlichkeit gelernt hatte, den Frauen nur durch sein Wesen, seine erotische Attraktivität zu gefallen, wird sein Geschlecht, den Phallus, erfahren als „Glücksbringer“ als „Diener der Vulva“. Die Frau erlebt sich nicht als Sklavin des Phallus, sondern, sie ist selbstbestimmt, „Herrin“ ihrer selbst, würden wir heute sagen. Sie war uneingeschränkt „Herrin der Vulva“ (wie noch in historisch viel späterer Zeit eine ägyptische Göttin genannt wird). Es gibt keinen „Ehe-Mann“, der einen Anspruch erheben könnte, keinen“ Herrn der Vulva“, dem sie zu dienen irgendeine Verpflichtung hätte. Der Phallus als freiwilliger und gefälliger „Diener“ der Vulva ist zu verstehen als die Bereitschaft des Mannes, sich das Auftun der Vulva als Geschenk der Geliebten zu verdienen, ihr aktives Begehren nach besten Kräften zu fördern. Er tut dies auch in seinem eigenen Interesse, weil er erfahren hat, dass er selbst zum höchsten sexuellen Glücksempfinden nur kommt, wenn seine Geliebte aufblüht, weil sie sich, geliebt, begehrt und hoch geschätzt weiß und nicht einfach phantasielos bedient wird. Männer, die in eine solche Vulva-Kultur hinein geboren werden und mit dieser Vorstellung heranwachsen, sind offensichtlich mit dieser Rolle sehr zufrieden gewesen: denn sie haben nicht versucht, neben der Vulva auch ihren Phallus als Kultobjekt zur Geltung zu bringen. (vgl. in diesem Blog: „Wo ist der Phallus des Urvaters?“)

3) In Erwägung zu ziehen, ist auch der folgende naturwissenschaftliche Sachverhalt: Die Evolutionsbiologie stellt uns vor die Erkenntnis, dass der homo sapiens-Mann von den drei auf ihre Hodengröße untersuchten Primaten den größten Penis hat. Sicher erscheint damit: Ein größerer Penis als derjenige der Paniden ist selektiert worden und das wäre sicher nicht der Fall gewesen  wenn die Frauen den Phallus als rücksichtslos penetrierende Stoßwaffe empfunden hätten, sondern ist ein Beleg dafür, dass er ein gefälliger und rücksichtsvoller Partner der Vulva war, wodurch er die Vulva als ebenso gefällige Partnerin gewann.

4) Da die Frauen die uneingeschränkte Freiheit der Wahl ihres jeweiligen Sexualpartners haben, bestimmen sie auch das sexuelle Geschehen. Ein Mann, der nicht sehr schnell lernte, die Wünsche seiner jeweiligen Sexualpartnerin, der Frauen, seiner Genossenschaft, zu erfüllen, wurde alsbald verabschiedet, und seine mangelnde Eignung wird sich in der kleinen Genossenschaft unter den 30 erwachsenen Frauen bald herumgesprochen haben. Er begreift also sehr schnell: Nur als gefälliger Diener der Vulva kann er auf die Befriedigung seiner eigenen sexuellen Bedürfnisse hoffen; sonst bleibt ihm „das Allerheiligste“ verschlossen.

5) Zu bedenken ist schließlich, dass der paläolithische Mann zur Weiblichkeit und zur göttlichen Großen Mutter ein völlig natürliches und durch nichts gestörtes Verhältnis hatte entwickeln können: Jeder Mann war ein Mutter-Sohn und dies nicht im Sinne von „Muttersöhnchen“, wie später der grobschlächtige patriarchalisch-militärische Mann die Feinsinnigeren und Feinfühligeren unter den Männern nennen wird. Er war ein Mutter-Sohn, weil sie ihn mindesten 3 Jahre lang gestillt und an ihrem Leib mit sich herumgetragen, ihm Sinnlichkeit, Nahrung, Zärtlichkeit und Schutz gegeben hatte. Sein ihm unbekannter Erzeuger hatte daran keinen Anteil. Für die Kinder waren alle Männer ihrer Lebensgemeinschaft da, um mit ihnen zu spielen, und sie hielten sich an denjenigen, der ihnen am sympathischsten war.
Da ein junger Mann aus Gründen der Exogamie seine Geburtsfamilie und Mutter verließ, sobald er geschlechtsreif geworden war, wurde er in seinem Sexualverhalten von seiner Mutter weder kontrolliert, noch eingeschränkt. Somit prägte sich nicht nur den Töchtern, sondern auch jedem Mann das positive Bild der nährenden, freigebigen, fürsorglichen und Schutz gewährenden Mutter ein, und dies ist das Bild, das dann auf die alles umfassende Urmutter projiziert wird. Die Vorstellung einer göttlichen Großen Mutter ergibt sich also aus der Natur und der Kindheitserfahrung des Menschen.

II. Der Phallus als Fruchtbarkeitssymbol und Samenspender im Neolithikum:
1)
Die im Neolithikum von den Vieh züchtenden Menschen gewonnene Erkenntnis, dass der Mann durch seine Sexualität an der Fruchtbarkeit beteiligt ist, führt zur Ausbreitung eines bilinearen Fruchtbarkeitskultes, der allen Bovidenkulturen eigen ist. Die Menschen erkennen zu ihrer Verwunderung, dass sich das „Wasser“, (wie noch die Sumerer die männliche Samenflüssigkeit nennen) mit dem inneren Blut der Frau mischen muss, damit neues Leben in der Frau heranwachsen kann. Dies „Wasser“ des Mannes ist also etwas ganz Besonderes und wird später zu der Vorstellung eines pluvialen oder fluvialen Fruchtbarkeits-Gottes führen. Eine überwältigende Erkenntnis, die besonders den Männern ein erhöhtes Selbstwertgefühl bringt. Der Phallus wird jetzt wesentlich mehr, als ein Lust-Spender für Liebespaare und die männliche Sexualität, wird von diesem historischen Augenblick an, geheiligt. (vgl. *Kapitel IX, S 151 ff.). Hier sei nochmals festgehalten, dass für die häufig wiederkehrende Behauptung „selbstverständlich haben auch die Menschen des Paläolithikums bereits um die Tatsache der physiologischen Vaterschaft gewusst“, von den Vertretern mit keinem einzigen wissenschaftlich haltbaren Beleg gestützt wird. Hingegen erhärten historische Belege und ethnologische Befunde das Faktum vom Nichtwissen dieser Zusammenhänge, und dies entspricht der Logik der kulturellen Entwicklung. Dass damit der Mann in seiner eigenen Wahrnehmung vom Sohn auch zum Vater wird, verändert sein Bewusstsein von sich selbst grundlegend: Auch im Manne steckt die Fähigkeit, neues Leben zu schaffen. Als ihm dann ab 7.000 v.Chr. auch die Domestikation von Boviden-Herden gelingt und er damit in eine ökonomische Führungsrolle hineinwächst, fordert er auch die kultische Gleichberechtigung mit den Ackerbäuerinnen.

2) Diese Aufwertung des Phallus findet ihren Ausdruck in dem neuen bilinearen Fruchtbarkeits-Kult des Neolithikums, in welchem der Mann als „Stier der Göttin“ zu deren Besamer und Befruchter wird und aufsteigt zum ithyphallischen Fruchtbarkeits-Gott. Diese Entwicklung führt dazu, dass die Sexuelle Hoch-Zeit des Fruchtbarkeitskultes später mit einer anderen und zusätzlichen Bedeutung aufgeladen wird: Die „Heilige Hochzeit“ wird zur „Heiligung der EHE“. War schon der bilineare Fruchtbarkeits-Kult von den Männern gewollt, so ist die „Heilige Hochzeit“ als ehelicher HEIRATS-KULT unverkennbar eine patriarchalische Institution: Der Mann sicherte sich also über das Ritual der Heiligen Hochzeit nicht nur seine Teilhabe an der Sakralität der schöpferischen Fruchtbarkeit, sondern er institutionalisierte damit schließlich die ihm so wichtige Paarungsfamilie, die monogame Ehe und das Privateigentum. Eine völlig neue Gesellschaftsordnung wird auf diese Weise auch kultisch etabliert. Der patriarchalische Mann gewinnt sein neues Überlegenheitsgefühl zum sehr großen Teil auf Kosten der Frau, deren wirtschaftliche, soziale und damit persönliche Bedeutung gravierende Einschränkungen erfährt. Dies muss sich natürlich auch auf das Selbstwertgefühl der Frauen auswirken und damit auf ihr Verhältnis zu ihrer Sexualität. Hinzu kommt, dass die neolithische Frau weiß, dass der von ihr Ausgewählte, oder akzeptierte Sexualpartner der Vater ihres Kindes sein kann. Das Realitätsprinzip überlagert das reine Lustprinzip. Hinzu kommt, dass durch den Verlust des Ovulationshemmungs-Gens, das die paläolithischen Wildbeuter-Frauen während der mindestens drei Jahre andauernden Laktation vor erneuter Schwangerschaft bewahrt hatte, den Frauen jetzt alljährliche Schwangerschaften drohten, wodurch sie „geschwächt“ wurden, wie es so verräterisch in der Bibel ausgedrückt wird. Genau das war ja der Wunsch des patriarchalischen Mannes: Je schwächer die Frau, d. h. je häufiger er sie „schwächt“, desto stärker konnte er sich fühlen. Erstmals trat damit auch das Problem einer Empfängnisverhütung in das Bewusstsein der Frauen. Dass all dies zu einer grundlegenden Veränderung der Wahrnehmung und des Erlebens der eigenen Sexualität führte, ist offensichtlich und bedarf wohl keiner weiteren Begründungen. Der Mann sicherte sich die sexuelle Dominanz, der Frau blieb kaum etwas anderes übrig, als ihre Erwartungen der neuen Realität anzupassen.

3) Dennoch bleibt, zumindest in den Oberschichten der neuen patriarchalen Klassengesellschaft der frühen Stadt-Kulturen, noch ein hohes Selbstwertgefühl der Damen erhalten, wie ich es eingehend in meinem Aufsatz über die “ Hierarchische Boviden-Züchter “ (in diesem Blog) dargelegt habe. Als Tempel-Vorsteherinnen und Inhaberinnen pontifikaler Oberhoheit behielten die aristokratischen Frauen vorerst noch erhebliches soziales Gewicht. Durch die „Heilige Hochzeit“ als Herrschafts-Legitimation hat die Tochter eines königlichen EHE-Paares große dynastische Bedeutung als „Mutter des Königs“ und als „Königin“ im Sinne der königlichen Gemahlin des regierenden Königs. Die aristokratische Frau lernt jetzt, wie der König selbst, die eigene Sexualität zu spalten: Die Staatsraison führt zur Priorität des dynastischen, „züchterischen“, Denkens, dem sich die Sexualität unterzuordnen hat; die sinnliche Qualität der Sexualität muss abgespalten werden. Dies führt dazu, dass eine früh-dynastische Königstochter von ihren Eltern dazu gezwungen wird, gegen ihre natürliche Inzest-Aversion zu handeln, und eine dynastische Ehe einzugehen mit ihrem königlichen Bruder: Solange es auf die Bilinearität der königlichen Abstammung ankommt, kann ein geborener König nur durch die Geschwister-Ehe seinen und seiner Schwester Sohn als Thronfolger durchsetzen, was sowohl in seinem, als auch im Interesse des elterlichen Königs-Paares liegt. (vgl.dazu in diesem Thema in diesem Blog: „Das Thronerbrecht der Pharaonen“ und „Das Thronerbrecht der Hethiter“.). Um ihre wahren sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, muss die Frau also verborgene Wege finden, um das Zusammensein mit einem Sexualpartner ihrer Wahl zu ermöglichen. Dennoch: Sobald die Sexual-Zeremonie „Heilige Hoch-Zeit “ umgeschrieben wird zur Heiligung der EHE und damit der Paarungsfamilie findet die sexuelle Freiheit der Frauen ihr Ende, auch wenn wir davon ausgehen, dass in den „sinnlicheren“ Bovidenkulturen die Frau noch nicht in der Weise zur unterwürfigen Partnerin auch im Sexualverhalten, degradiert wurde, wie in der Folgezeit durch die Krieger-Gesellschaften, die, abgesehen von Amerika, regelmäßig Equiden-Krieger sind. Sobald der Phallus, über die bilineare Fruchtbarkeit, eine Ebenbürtigkeit mit der Vulva erklommen hatte, war sein Höhenflug nicht mehr zu bremsen, wie sich jetzt zeigen wird.

III. Der Phallus als HERR der Vulva im Chalkolithikum:
1)
Je mehr der Mann seine Machtposition als urbaner Priester-König stärken konnte, je aggressiver die patriarchalischen Eliten durch die, von ihnen eifrig geförderte, Metallurgie ihr kriegerisches Potenzial ausbauten, besonders als Equiden-Krieger, desto mehr steigt ihnen der Samen-Kult, der erstmals im bilinearen Fruchtbarkeitskult dem urgeschichtlichen Blutkult hinzugefügt wurde, zu Kopf. Als königlicher Herrscher dient ihm zur Sicherung der Dynastie zwar eine Ehefrau, anfangs ebenfalls aus königlichem Blut, aber zur Befriedigung seiner Lust, und zur Erhöhung seines Prestiges, legt er sich einen kleineren oder größeren Harem zu. Schon ein sumerischer Stadtkönig verfügte über einen Harem von 30 Sexualdienerinnen. Der Gorilla-Traum des Mannes wird wahr: Ein polygyner Mann mit monogamen Sexualdienerinnen. Und: endlich keine lästige Konkurrenz mehr, wie beim urgeschichtlichen Mann. Er kann sich jetzt die gleiche sexuelle Bequemlichkeit leisten wie der Silverback und was die Frauen davon haben, ist ihm egal: Sie haben nichts mehr zu sagen. Eine der traurigsten patriarchalischen Errungenschaften der Geschichte, die nicht nur die Frau, sondern auch den soldatischen Mann des wahren sexuellen Glücks beraubte: Er konnte sich quasi-masturbatorisch in der Vulva seiner Dienerin befriedigen, ohne auf die Bedürfnisse seiner Sexualpartnerin zu achten. Bei einer solchen Entwicklung wundern wir uns dann nicht, dass der erste männliche Schöpfergott des Pharaonenreiches, ATUM, ein masturbierender Gott war. Wie verräterisch doch diese Projektionen auf den Himmel sind. Von der „Herrin der Vulva“ wurde die Göttin abgewertet zur „Hand des Atum“, dieses phallischen Fruchtbarkeits- und späteren Weltschöpfer-Gottes, dem sie beim lustvollen Schöpfungsakt als Handlangerin diente. Dies galt zudem als so großes Privileg, dass auch ägyptische Königinnen den Ehrentitel „Hand des Atum“ führen durften/ mussten. Wenn sich eine so erbärmliche Vorstellung in einer Gesellschaft ausbreiten kann, können wir uns ausmalen, welch pseudo-phallische Präpotenz sich in den patriarchalischen Ehen und Paarungsfamilien breit gemacht hatte. Wenn Priester eine solche Theologie unters Volk bringen können, dann können wir uns denken, welches Frauenbild die patriarchalischen Köpfe jener Gesellschaft in sich bargen. Die Frauen waren versklavt in der monogamen Ehe, waren in jeder Beziehung die Unterlegenen: Der Phallus als Herr der Vulva, die Vulva eine Dienerin des Phallus. Da die Frau indessen dem Phallus nicht freiwillig diente, wie der urgeschichtliche Mann der Vulva, war sie oft eher eine ungefällige Dienerin.

2) Um das Selbstwertgefühl der in der monogamen Ehe unterjochten Frauen weiter zu „schwächen“, wurde der patriarchale Samenkult zur Monogenesis ausgebaut, eine normative Inversion der urgeschichtlichen vaterlosen Vorstellung. Ich will hier nur kurz an Aischylos erinnern und sein „Es zeugt allein der Vater“, oder an dessen Echo, Paulus, „Der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Manne“. D. h. im Klartext: Maria ist nur eine Art „Leih-Mutter“; denn wäre sie mit Jesus blutverwandt, wäre der ja nur ein Halb-Gott. Die patriarchale Phantasie schlägt dann besonders bei den Griechen ungeheure Wellen: Selbst die „Göttin der Liebe“ machen sie zu einer reinen VATERTochter: Aphrodite verdankt ihre Geburt dem Umstand, dass Kronos den Phallus seines Vaters Uranos mit der Sichel abgeschlagen hatte, und natürlich ließ jener Wunder-Phallus, als er ins Meer fiel, die Wasser hoch aufschäumen, und aus diesem väterlichen Schaum wurde die Liebesgöttin´geboren. Bei Zeus sind die patriarchalischen Denker schon etwas weiter: Athene ist auch eine reine Vater-Tochter, aber sie entspringt nicht mehr dem Phallus, sondern dem Kopf des Zeus. Der Mann ist von der Materie zum Geist vorgestoßen. Das Niedere, die „mater-ia“, überlässt er der Frau, jener zur schöpferischen Kreativität unfähigen Inhaberin der Vulva, der, außer als gelegentlich in Anspruch genommene Dienerin des Phallus, nicht nur ihre urgeschichtliche Sakralität, sondern jegliche Bedeutung genommen worden ist. Es bleibt den LeserINNEN überlassen, sich selbst auszumalen, wie sich Vorstellungen solcher Art, derartig abstoßende „Männerphantasien“, auf die Sexualbeziehungen von Mann und Frau auswirken.

C. Nachwort:
Wie sehr sich der herrische, soldatische Mann, der sich im Patriarchat immer mehr dem Gorilla annäherte und sich vom Bonobo entfernte, durch seine Überheblichkeit und die Geringschätzung des weiblichen Selbst verstümmelte, sich um seine sexuelle Erlebnisfähigkeit brachte, war, bis ins vorige Jahrhundert hinein, den meisten Männern nicht bewusst; denn sie kannten es nicht anders. Als Ersatz für die der Frau abgesprochene Sexualität wurde sie auf die geheiligte Mutterrolle verpflichtet. Dennoch war es der Erz-Patriarch Johann Jakob Bachofen, der eine Ahnung von den urgeschichtlichen Sexualbeziehungen hatte; denn er schrieb, dass die Frau von Natur aus „zehnmal so viel Sexualgenuss wie ein Mann empfindet“ und dass sie „von Natur zu aphroditisch reizvoll“ sei, „um in den Armen eines einzigen Mannes zu verwelken“. Er ahnte aber wohl nicht, wie sehr die urgeschichtlichen Frauen mit ihrer´uneingeschränkten sexuellen Lebendigkeit auch den sexuellen Bedürfnissen der Männer entgegen gekommen waren. Eine, von ihrer sexuell verängstigten Mutter seit Kindheit sexuell eingeschränkte, Frau wird naturgemäß in einem System „ehelicher Pflichten“, in welchem die Vulva zur gehorsamen Dienerin des Phallus gemacht wurde, eher eine ungefällige Dienerin sein. Wenn dann in der patriarchalischen Gesellschaft plötzlich eine Frau unverhohlen ihr angestammtes Recht der female choice in Anspruch nimmt, wie die Zarin Katharina, so weckt sie damit hysterische Ängste der

Equidenkrieger vor der „zügellosen“ Frau, vor der Zügellosigkeit des Weibes. Wenn die Männer ihre sexuell so aktive und selbstbewusste Kaiserin dadurch verunglimpfen, dass sie verbreiten, dieser Frau genüge nur noch der Phallus eines Hengstes, dann ist dies für Psychoanalytiker eine erhellende Selbstoffenbarung jener russischen Rittmeister und ihres mangelnden sexuellen Selbstwertgefühls.. Eine Geschichte, die es in sich hat. Es bedurfte erst der Psychoanalyse, die uns Heutigen die Einsicht ermöglicht hat, welch grotesken Irrweg der patriarchalische Mann mit der Entsexualisierung der Frau, ihrer Festlegung auf die MUTTER-Rolle und seiner damit verbundenen Selbstverstümmelung eingeschlagen hat. Wir sind dadurch befähigt worden, uns von den Ideologien den Irrlehren und der frauenverachtenden Hybris, unserer Vor-Väter zu befreien und konnten, zu unserer eigenen Heilung und unserem Lebensgenuss, wieder zu gefälligen Dienern der Vulva werden. Auch gab es sicher zu allen Zeiten Männer, die ihre urgeschichtliche Rolle als Glücksbringer für ihre Geliebte und sich selbst nicht aufgegeben und weiter ausgefüllt haben, weil sie wussten: „Das sexuelle Glück des Mannes hängt vom sexuellen Glück der Frau ab.“ Solche Männer sind es, die von freien und selbstbewussten Frauen geliebt wurden und die ihrerseits solche Frauen liebten.

Orginaltext ist auf Gerhard Bott.de Die Erfindung der Götter. Essays zur politischen Theologie.

ZUM WEITERLESEN: