Wie Langzeitleserinnen dieses Blog sicherlich schon mitbekommen haben, tendieren unsere Themen immer mehr weg von der vermeintlichen/irrtümlichen Untergruppe „feminine Lesben“ bzw. „feminine frauenliebende Frauen“, hin zu einfach „Frauen“ und ihren sich wandelnden Identitäten und dem (post)patriarchalen in der Welt sein. D. h. wir haben erkannt, dass z. B. Frauen sich nicht so einfach in hetero und homo unterteilen lassen, denn beides sind Identitäten/Konzepte, die auf einer männlichen Biologie, Geschichte, Philosophie, auf männlichen Mythen und Bedürfnissen ect basieren, sie somit eher wenig mit Frauen und ihren Realitäten und Bedürfnissen zu tun haben. Daher haben wir auch angefangen – und werden es auch noch weiterhin machen – hier Texte über die (männliche) Geschichte und ihre Mythen draufzustellen, sie zu analysieren und dadurch aufzuzeigen, dass fast alles darin frauenfeindlich, frauenverneinend und/oder frauenvereinnahmend ist.

Und auch erkannt haben wir, dass Frauen in der Tendenz (wenn sie die freie Wahl hätten) lieber eine Frau als einen Mann nehmen würden, und dass die Beziehungen, die sich dann zwischen den Frauen ausbilden, sich keinesfalls nur auf die (Zweier)- Pärchenkonstellation beschränken würden (eine Ideologie, die u. a. auf der romantischen Mann-Frau Liebe beruht). Ich denke, dass sich dann eher Gruppen bilden würden, die durch eine Art Beziehungsnetze, die sich, mehr oder weniger fest, zwischen den einzelnen Frauen spannen/spinnen, zusammengehalten werden würden. Begehrensnetze, wobei Begehren nicht nur (aber auch) sexuell gemeint ist. Aber das ist ein ganz eigenständiges Thema, zu dem ich mir später noch mehr Gedanken machen werde.

Aber jetzt zum eigentlichen Thema des Artikels, nämlich dass wir – neben der schon erwähnen Dekonstruktion männlich geprägter Geschichte, den Mythen und Religionen – auch versuchen positive Beispiele weiblichen Schaffens und/oder Nachdenkens über die Welt und die Position/Rollen von Frauen darin vorzustellen bzw. auf der Suche danach sind. Und im Zuge dessen habe ich vor einiger Zeit im Internet mal eine tschechische Kunstplattform entdeckt, auf die Leute ihre selbst gemachten Fotos, Collagen, Texte, Bilder ect hochladen, um sie dann von den anderen bewerten lassen zu können. Ich klickte also mich durch die verschiedenen Rubriken hindurch, fand die Sachen recht interessant, aber die Bilder einer Frau, nämlich von Lucia Hruschková, haben mich dann nachhaltig beeindruckt. Und ihre Werke will ich jetzt hier vorstellen und mir ein paar Gedanken zu ihnen machen. Aber ich bin ein wenig zwiegespalten, denn sie polarisieren, sie wirken (sexuell) grausam und schön zugleich und auch deshalb habe ich mich gefragt, ob die Künstlerin (in ihren Bildern) die Innen- und Weltsicht von Frauen darzustellen versucht; oder ob sie lediglich die Projektionen von Männern (auf Frauen) visualisiert hat. Ich glaube beides ein wenig, aber mehr aus der weiblichen Sicht heraus. Und interessant finde ich zusätzlich, dass sie zum größten Teil Tiere benutzt um Frauen und/oder symbolische Themen darzustellen, Männer machen das umgekehrt ähnlich, sie nehmen oft Frauenkörper, um mit ihnen ihre eigenen Anliegen zu kommunizieren.

Ich habe versucht die Bilder in (neun) verschiedene Kategorien einzuteilen und darunter dann meine eigenen Gedanken/Assoziationen/Erklärungen geschrieben:

MUTTER

Ohne Titel

Ich bin böse, ich habe die Macht, ich bin verführerisch und ich locke dich in meinen Geburtskanal hinein, zurück. Denn da kommt alles Böse her, denn ich bin ein Tier, ein summendes Insekt, ein Geschlecht, eine Legeröhre eine Bienenkönigin und habe seit Anbeginn der Zeiten die Macht über das Leben und den Tod und den Tod und das Leben. Und ich bin die Todes-Mutter, der du nicht entfliehen kannst, weil du aus mir gekommen bist und in die du immer wieder zurück willst, musst, weil du ein Süchtiger bist, ein Energiesüchtiger. Und dann wirst du auch zum Tier, ein Bulle unter Kühen, ein Begatter, ein Sohn, ein Mann, ein Sexsüchtiger.

Ich denke, das ist die Mutter/Frau aus männlicher Sicht, sein Hass, Liebe, Abhängigkeit von ihr. Denn da das Leben in seiner Grundform weiblich angelegt ist und jedes Säugetierwesen in einen weiblichen Körper gezeugt und in ihm heranwächst, und dann noch von einer Frau gesäugt und erzogen wird, ist die männliche (bilogische) Identität immer brüchiger als die der Frau. Zusätzlich haben wohl Männer (durch die fehlende Schöpfungskraft/Gebärfähigkeit) einen niedrigeren (spirituellen) Energielevel als Frauen, den sie aber durch den Geschlechtsakt erhöhen, aufladen können (Prinzip des buddhistischen Tantra!) und es in den allermeisten Fällen auch tun. (Daher u. a. die Abhängigkeit der Männer vom Sex und der Frau.) Aber gleichzeitig werden sie durch den Akt wieder in eine Art weibliches Sein hineingezogen, dem sie ja identitätsmäßig entfliehen wollen und daher resultiert auch die Ambivalenz des Mannes dem Sex und der Frau gegenüber.

Ohne Titel

An meinen blutig-warm-pulsierenend-spirituellen Lebensfäden hängt ihr alle, ich nähre euch, ich beschütze euch, meine Brüste sind voll und mein Leib kann rund sein, aber nicht mein einziges Sein, denn ich habe auch einen Kopf und Augen, die sehen. Ihr seid meine Schülerinnen und Novizinnen und werdet mal sein wie ich, mit blutdurchpulsten Füßen am Grund und mit dem Kopf in wirbelnden Lüften. Ich bin die Mutter, die Lehrerin, die Nährende, die (spirituell) Führende, ich erde euch und ich verbinde euch mit dem geerdeten Himmel.

Mutter/Frau aus weiblicher-visionärer Sicht, der (schwangere) Leib ist nur angedeutet, also wird die Frau weder auf ihren Leib und die Gebärfähigkeit reduziert, noch wird er/sie geleugnet. Ebenso verhält es sich mit ihrem Kopf/Geist, er ist oben im Himmel, aber seine Geweihenden sind warm blutdurchpulst, in der gleichen pinken Farbe wie die Hufe, die fest auf der Erde stehen. Der Dualismus Himmel/Geist und Erde/Leib wird dadurch aufgehoben, verbunden und das Blut ist außerdem nicht Rot, sondern Pink, ein Zwischending von Rot und Blau, also Erde und Himmel, Geist und Körper. Die kleinen Huftiere an den Lebensfäden werden so in Balance gehalten, werden sowohl körperlich als auch geistig genährt.

LIEBE UND NARZISSMUS

Mateřská výživa (Mütterliche Nahrung)

Wir nähren uns nur noch von der eigenen Brust, dem Euter, das mit vergifteten Pfeilen durchbohrt ist, der Selbstliebe, dem Narzissmus, der für uns die Welt bedeute und die Ozeane noch dazu. Wir verrenken unseren langen Hals, werfen uns vor dem Spiegel in Pose, biegen zierlich unsere Beine, saugen und saugen und bekommen dennoch nichts ab von der Milch, die nicht unsere eigene sein sollte.

Die Einsamkeit von Frauen, dieses Getrenntsein von einer weiblichen Gemeinschaft, die sie nähren sollte, und nicht die eigene, einsame Milch. Im narzisstischen Blick in den Spiegel suchen Frauen oft (unbewusst) andere Frau(en), deren Gemeinschaft sie so vermissen, aber zurück blickt dann nur in ihr eigenes Spiegelbild und ozeankaltes Glas.

WEIBLICHE SEXUELLE IDENTITÄT

Závojnatka (Verschleierte)

Mit spitzen Fingern breiten wir unser Modegefieder aus, schlüpfen aus unseren Kleidergehäusen, um euch mit unserem rosa-nacken Leib zu locken, denn wir sind uralte Königinnen mit Ganglien und Riesenaxone. Wir schießen unsere Liebespfeile auf euch ab und ihr gleitet auf ihren schleimigen Lockungen aus, wir haben keine Augen, nur Tentakel aus Proteinwindungen, wir leuchten im Dunkeln und sehen doch nichts.

Frauen präsentieren sich (den Männern) oft als Sexualobjekte, auch wenn sie selbst nicht zurückbegehren, denn/und sie machen es irgendwie instinktiv, wie in der prähistorischen Natur und Ursprungs-Biologie gefangen.

Medvěd (Bär)

Ich bin ein Tier, ein verrotteter Bär in der hintersten Ecke meines Kleiderschrankes, mit Klauen, die scharf sind und Füßen, die auf wackeligen Panzern stehen. Ich sauge einen Gifttrunk in mich ein, er faucht mich an und Klauendolche dringen durch die Wand und zwischen meinen Beinen sitzt zusammengekauert ein anderes Wesen. Es leuchtet und zeigt mir sein zweites Gesicht, das zwischen den Beinen ist, ein Auge, ein Mund, in meinem Kleiderschrank.

Identitätslosigkeit und Verwirrung, wenn eine Frau sich nicht in das konventionell-biologisch-ursprüngliche Weibliche (des Bildes darüber )einordnen lassen, sein will. Und auch Selbsthass, weil das Frausein als etwas Minderwertiges und Primitives empfunden wird, und deshalb eine Identität als (weibliches) Geschlechtswesen umgangen wird. Aber dann kommt eine Art Monster bei raus. Eine Frau kann kein Mensch sein, ohne auch ein Geschlecht zu haben, es (das weibliche Geschlecht) braucht nur ein kulturelles Update.

WEIBLICHE SEXUELLE ENERGIE

Svatební kytice (Hochzeitsstrauß)

Der Brautstrauß hat seine Unschuld verloren, er öffnet sich in seiner ganzen Pracht und offenbart gefräßige Wildheit. Unschuldiges Weiß wird zu Rot und blutiger Erde. Deine Augen sind nicht mehr lieblich, sie wollen mich fressen und dein gespreizter Schoß ist jetzt Erde, Tiefe, Blut und Gedärm. Plazenta, Hexenmahl, wütend lodernde Feuer und das Blau der toten Nabelschnur, du hast dein wahres Gesicht gezeigt.

Einerseits Angst der Männer vor dem (sexuellen) Wesen, der Energie der Frau, andererseits das Entdecken von weiblicher Stärke, die stets auch ambivalent bzw. Dualismus auflösend ist, schwarz und weiß, Tag und Nacht, Leben und Tod.

Růženka (Schönheit/Dornröschen)

Trockenes Geäst mit Spinnweben überall, die Katzen sind meine treuen Dienerinnen, unberechenbare Geschöpfe, aber auch sie schlafen, denn erwecken kannst mich nur du. Dornröschenschlaf. Alte Frau, die die spröden Knochen versprühen scharfes Knacken, Hexensprühen, Eishände, Zähne wie Hundezitzen und der Bauchraum nur noch ein hart geschrumpeltes Organ.

Einerseits die Innensicht einer Frau, die glaubt erst durch den Mann zur Sexualität erweckt zu werden, Dornröschenmythos. Andererseits der Blick von Männern auf ältere Frauen, vor denen sie meistens Angst haben, weil sie mehr Energie haben, sich oft zu transzendenten Wesen entwickelt haben und er sie somit nicht mehr zum reinen Objekt machen kann. Und auch, weil sie nicht mehr fruchtbar sind und sie dadurch nicht mehr (symbolisch) für die Reproduktion zur Verfügung stehen, sich also außerhalb des männerzentrierten Systems befinden, aus seiner Weltsicht verschwinden. (Aber natürlich noch da sind.)

KAMPF/HÄRTE/GEWALT

Ohne Titel

Ich bin eine Kriegerin, einsam bewaffnet mit Speeren aus Eisenstahl, mein Körper blaublutgeädert, mein Unterleib eine eiserne Meerjungfrau und meine Brüste dem Himmel entgegengestreckt. Eine Amazone ohne Mitstreiterinnen, blindes Medusenhaupt, vorwärts, vorwärts, sie recken sich schon zu dir empor, niederwachsende Ganglienähren.

Bei diesem Bild muss ich an diese vielen (meist für ein männliches Zielpublikum) produzierten Actionfilme und Spiele wie z. B. Tomb Raider mit Lara Croft, Matrix und Co. denken, bei denen dann oft (noch) eine Alibi- oder Pseudofrau dabei ist, die aber in ihrem ganzen Verhalten, Wesen und Sein wie ein Mann ist. Oder an Frauen, die diese Rolle für sich übernommen haben, sich damit identifizieren.

Jitřenka (Morgenstern)

Mit blinder Wut metzele ich alles nieder, mein Mund eine offene Wunde, meine Arme Nabelschnüre und Speerspitzen, kosmische Perlenstränge und blaue Todesstadt, mit blinder Wut metzel ich alles nieder.

Vielleicht die Wut, die eine Frau bekommen kann, wenn sie (unbewusst) spürt, dass es eine Männerwelt ist und sie sich dem nicht mehr fügen will.

GEBURT

Ještě se nenarodil... (Noch ist er nicht geboren...)

Zackenbewehrtes Innerstes, das Vogeljunge mit boshaft kaltem Blick, kalt wie Himmelseis, mein Leib mit ihm verbunden, mein Mund brüllt bereits, meine Arme zur Abwehr bereit und ich lasse böse Geister sprühen. Sie begutachten ihn, kleine Verräter, an ihren Seilen aus meiner Wut.

Das Kind im Leib ein Parasit, die bevorstehende Geburt als ein fleischliches Martyrium und eine grausame Folter. Vielleicht auch (noch), der Sohn/Mann ein Fremdes, das dennoch aus dem Leib der Frau kommt.

WEIBLICHE SPIRITUALITÄT

Ohne Titel

Ich bin mit Himmel und Erde verbunden, die Erde ist grün, der Himmel auch- und das Blau des Himmels vermengt sich mit dem Grün der Erde und wird zu Violett. Die Spirale meines Seins, der Schöpfung, nährende(r) Schoß und Brüste und Erde bis ins All, es strömt durch mich hindurch und ich verströme mich.

(WEIBLICHE) WEISHEIT

Můří letokruhy (Die Nachtfalter der Jahresringe)

Ich bin in meinem Leib geborgen, der Kosmos ist blau und violett und unendlich, und aus der Erde schwirren prähistorische Muschelfaltern empor.

Soví moudrost (Die Weisheit der Eule)

Mein Leib ist so dünn und lang gestreckt wie der eines Mannes, damit mein Haupt besser den Himmel erreichen kann. Grünes Klimtgemälde mit Maschinenknochen und Athenehaupt.

DENN WIR WISSEN NICHT, WAS FRAUEN SIND…

Totemka (weibliches Totem)

Die Orginalbilder befinden sich dann HIER.