Hier übernehme ich mal 1 zu 1 einen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 23.09.2009. Er zeigt sehr schön, dass die Zeiten des Gleichheitsfeminismus (Frauen sind wie Männer nur irgendwie schlechter) wohl endgültig vorbei zu sein scheinen. (Frauen sind das Gegenteil von Männern und deswegen brauchen und ergänzen sie sich, halte ich allerdings auch nicht für so ganz richtig.)

Was sie mit Macht machen

Frauen werden immer einflussreicher, heißt es. Manchmal zu einflussreich. Wirklich?

Es muss ihnen tatsächlich sehr schlecht gehen. Sie leiden. Sie werden unterdrückt, gedemütigt, entrechtet. Jeden Tag ein bisschen mehr. Geht es wieder mal um Frauen? Nein. Zumindest, wenn man der letzten Ausgabe des Magazins Focus glauben will. „Im Zweifel gegen den Mann“, stand auf dem Titelblatt und: „Ist Gleichberechtigung noch gerecht?“ Dann wurden ein paar Statistiken zitiert, die beweisen sollten, wie mächtig, stark und überhaupt gleichberechtigt die Frauen inzwischen doch geworden seien – so sehr, dass es nun Zeit sei, etwas für die armen, unterdrückten Männer zu tun.

Man konnte von prügelnden Frauen lesen, von Megären, die ihren Männern die Kinder entzogen, von schwachen Knäblein, die in einer vom Weibe dominierten Welt keine Chance mehr hatten. Überall waren sie. Beispielsweise stieg in den letzten dreißig Jahren der Prozentsatz an Frauen, die Humanmedizin studieren, von 29 auf beängstigende 61 Prozent; der Frauenanteil in den Bereichen Wirtschaft und Soziales wuchs von 27 auf 49 Prozent; und, besonders bedrohlich, in den Ingenieurswissenschaften stieg ihr Anteil auf atemberaubende 20 Prozent – von schlappen sieben Prozent im Jahr 1975. Sind das tatsächlich Indizien dafür, dass Frauen endlich ganz oben angekommen sind?

Man muss nun erst einmal ein wenig hinter die Zahlen schauen. Dann stellt man schnell fest, dass das so beeindruckend nicht ist. Es mag sein, dass Frauen besser lernen, aber in die erlesene Riege der Professoren schaffen es immer noch nur wenige – obwohl sich das in den nächsten Jahrzehnten ändern mag. Man weiß auch, dass angesehene Berufsgruppen, in denen der Anteil der Frauen zu dominant wird, ihren gesellschaftlichen Status und ihren politischen Einfluss verlieren. So geschah es mit der Ärzteschaft in Russland. Die ist inzwischen fast ausschließlich weiblich, schlecht bezahlt und ohne Lobby. Diese Entwicklung veranlasste Carol Black, nationale Direktorin für Gesundheit und Arbeit in der britischen Regierung, vor ein paar Jahren dazu, die „Feminisierung“ als langfristig schädlich für den Ärztestand zu bezeichnen: „Das ist ein Beispiel, wie ein ganzer Berufsstand herabgesetzt werden kann.“ Man muss nur einmal den Beruf des Lehrers betrachten, der nur solange Ansehen genoss, solange er männlich dominiert war. Frauen, wohin man blickt. Frauen, die wenig verdienen (und die sich dann rächen, indem sie die armen Buben zu verweichlichten Gestalten machen, denen jeder männliche Kampfgeist ausgetrieben werden soll). Die Macht, sie scheint den Frauen schneller zu entgleiten, als sie sie zu fassen bekommen.

Und wenn sie es doch geschafft haben? In der soeben erschienenen und außerordentlich lesenswerten Anthologie „Herrschaftszeiten! Vom Leben unter Männern“ (herausgegeben von Friederike Girst, Dumont, 2009, 312 Seiten, 16,95 Euro) berichten Frauen, die es geschafft haben, davon, wie sich das Leben so anfühlt im Patriarchat. Denn das, davon gehen sie fast alle aus, schwächelt zwar, existiert aber noch, auch wenn der Focus das anders sieht.

Danke für alles

Frauen haben ja schon einiges erreicht. „Es ist schön, dass wir inzwischen arbeiten gehen dürfen, ohne den Ehemann zu fragen“, schreibt Iris Radisch, Literaturkritikerin und langjähriges Mitglied im Literarischen Quartett, süffisant. „Es ist auch schön, dass wir als Mütter arbeiten dürfen, weil wirklich ab und zu ein Kindergartenplatz bis 12.30 Uhr zur Verfügung steht. Danke, vielen Dank. Nicht zu vergessen sei auch das passive und aktive Wahlrecht, wahrlich viele tausend Jahre keine Selbstverständlichkeit, wir wissen das fraglos zu schätzen. Und ein besonders großes Dankeschön vor allem dafür, dass wir zur Schule gehen und sogar seit ein paar kurzen Jahren in der jahrtausendealten Geschichte der männlichen Kultur studieren, malen, schreiben, komponieren und publizieren dürfen. Das alles ist ein großes Geschenk der Männer an uns Frauen, an dem nicht herumgenörgelt werden soll. Danke für alles.“

Und nun? Die alten Herren, die Väter des Patriarchats, sterben zwar langsam aus, und ja, es kommt auf die Leistung an, zumindest vordergründig. Die Gesetze seien von offensichtlicher Diskriminierung befreit, konstatiert Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, nur um dann festzustellen: Wie die Frauen „es drehen und wenden, sie werden vom Kind her definiert“. Haben sie keins, dann sind sie karrieregeil. Machen sie es wie die Männer, sind sie machtbesessen. Sind sie „feminin“, wird ihnen mangelnde Führungsqualität bescheinigt. Selbst da, wo sie die Macht erstritten haben, mit Gewalt, auch mit Terror, wird sie ihnen noch abgesprochen. Jutta Ditfurth fordert diese Macht denn auch ein für Ulrike Meinhof, aus der „patriarchalische Mythen“ eine kleine, brave Hausfrau machen wollen, die irgendwie aus Versehen hineingeraten sei ins Terroristenmilieu.

Nun: Viele der Frauen sind dennoch zufrieden mit dem, was bisher erreicht wurde. Aber kaum eine ist ganz glücklich. Irgendwann sind sie alle zwar durch die berüchtigte „glass ceiling“ gestoßen, die unsichtbare gläserne Decke, an der so viele andere Frauen hängenbleiben – was diese aber meist erst merken, wenn sie jenseits der Dreißig sind. Sie, die es geschafft haben, finden dahinter die undurchdringlichen Networks der Männer vor, hören manchmal das leise Geraune auf dem Flur, ertragen kleine Sticheleien und größere Beleidigungen. Sie schlagen sich mit alten Rollenklischees herum und mit dem kleinen, feinen Unterschied zwischen de jure und de facto. Sie berichten vom Exoten-Bonus und vom Pascha-Gehabe an den Universitäten und in den Professionen. Und sie machen es den Männern leicht, indem sie zu viel an sich selbst zweifeln. „Auf der obersten Führungsebene“, schreibt Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Stasi, über ihre Behörde, „sind Männer überrepräsentiert – wie so oft in deutschen Ämtern.“ Und: „Den Satz: ,Ich weiß nicht, ob ich mir das zutraue‘ habe ich noch nie von einem Mann gehört.“ Viele Frauen klagen außerdem über das eifernde Gezicke vieler Geschlechtsgenossinnen, die sich keineswegs besonders solidarisch zeigten in männlichen Herrschaftsräumen.

Beobachtungen dieser Art werden vielleicht durch mehrere Studien ergänzt, die festgestellt haben, dass Frauen umso unglücklicher werden, je erfolgreicher sie sind. Weltweit. Oft, weil sie sich zu viel vornehmen. Einst ging es um die Sorge um das Heim. Jetzt ist die Welt noch dazugekommen.

Warum wollt ihr die Macht überhaupt, fragen manche Männer. Und was wollt ihr mit ihr? Sie ist nichts, die Macht, sie macht höchstens krank, dick und Magengeschwüre. Das mag sein. Aber man muss sie erst einmal ausprobieren können, um sich denn vielleicht gegen sie zu entscheiden.

Autorin: Petra Steinberger, aus jetzt.de, süddeutsche zeitung

Im Großen und Ganzen stimme ich der Autorin zu, nur mit ihrem etwas zu „laschen“ Fazit bin ich in keinster Weise einverstanden. Wozu Macht überhaupt da ist? Scheinen sich viele Frauen zu fragen. Um die Welt nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen (um)zuformen natürlich. Das eigene weibliche Begehren (das auch immer ein Sexuelles ist) in die Welt zu setzen – und nicht um das eh schon Vorhandene brav und Vatertochtergehorsam bis in alle Ewigkeiten fortzuführen. Nein, in diese schwule Bruderschaft will kaum eine Frau gerne mit aufgenommen werden. (Und Männergruppen -von magengestörten Managerklubs bis hin zu den sich das T-Shirt vom verschwitzten Leib reißenden Fußballern atmen alle diese Aura aus.) Aber was wollen sie sonst, diese Frauen? Kinder bekommen und wunschlos glücklich werden? Einen eigenen Frauenklub gründen und den Männern eman(n)zipatorisches Paroli bieten?

Ich glaube weder noch. Sie wollen irgendwie etwas völlig Anderes, noch Ungesagtes und vielleicht nur in Gedichten und guter Literatur Angedeutetes, Erfühltes. Sie wollen eine Welt für Frauen, mit Frauen … und vielleicht eigentlich ohne Männer …?